Happy End in Seattle (German Edition)
Sekretärin einzuspannen, hatte sich in der Realität allerdings als wenig genial erwiesen. Seine Ex-Frau entpuppte sich nämlich im Büro als absolute Niete. Er hatte zwar gewusst, dass sie nicht mit dem Computer umzugehen verstand. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie auch am Telefon kläglich versagen würde. Hätte er sie noch ein paar Tage länger im Büro behalten, hätte er seinen Laden vermutlich dichtmachen können. Sie legte Rechnungen ab, anstatt sie wegzuschicken, und sie schaffte es, einen seiner besten Kunden zu vergrätzen.
Steve brauchte nicht lange, um seinen Fehler einzusehen. Schnell stellte er eine neue Sekretärin ein, schrieb Mary Lynn einen großzügigen Scheck und führte sie zum Lunch aus. In der sicheren Annahme, sie würden wie immer, wenn er sie am Tag besuchte, das Schlafzimmer ansteuern, folgte er ihr anschließend nach Hause. Doch Mary Lynn hatte es ernst gemeint, als sie sagte, sie wolle keinen Sex mehr mit ihm.
Nachdem er ihr das Geständnis erst einmal entlockt hatte, konnte sie plötzlich nicht mehr aufhören, von ihrem neuen Freund zu erzählen. Nicht zu bremsen war sie in ihrem Mitteilungsbedürfnis. Sie habe Kip in einem Buchladen kennen gelernt, berichtete sie ihm und lächelte glücklich bei der Erinnerung. Steve kannte seine Ex-Frau gut genug, um zu wissen, dass Lesen nicht unbedingt ihre große Leidenschaft war – was sich bei ihrer Ausbildung noch als Handicap erweisen dürfte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Mary Lynn zum Vergnügen Bücher kaufen ging. Ihr plötzliches Interesse an ihnen musste andere Gründe haben. Steve hatte gehört, die Single-Szene hätte sich aus den Bars in die Buchläden verlagert. Da Mary Lynn auf Männersuche war, musste das Gerücht stimmen.
So bereitwillig sie ihm erzählte, wie und wo sie ihrer neuen Liebe begegnet war, so wenig äußerte sie sich zu ihren gemeinsamen Aktivitäten. Steve hätte zu gern gewusst, was sie mit dem Kerl trieb. Aber bei aller Neugier wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, seine Kinder über ihre Mutter auszufragen. Er blickte zu den beiden hinüber. Meagan und Kenny saßen vorm Fernsehapparat und sahen sich ein Video an. Dass ihre Mutter sich verspätet hatte, schien sie nicht zu stören. Vermutlich war es ihnen gar nicht aufgefallen.
Steve warf einen Blick aus dem Fenster. Seine Nachbarin fuhrwerkte gerade mit einem Handstaubsauger in ihrem Auto herum. Er musste lächeln, als er daran dachte, in welche Verlegenheit er sie neulich gebracht hatte. Es musste sie schrecklich gestört haben, dass er sie mit dem Umschlag von Dateline in der Hand überraschte. Hallie McCarthy war also auf Männersuche. Er wünschte ihr viel Glück dabei. Soweit er es beurteilen konnte, dürfte sie kein Problem haben, einen Mann zu finden. Eigentlich fand er sie ganz attraktiv. Zierlich, mit kurzen dunkelbraunen Locken und einem hübschen Gesicht, machte sie einen netten, offenen Eindruck. Meagan hatte sie auf Anhieb gemocht. Und figurmäßig war sie auch in Ordnung.
Er wusste nicht, wo sie arbeitete, aber es musste in irgendeinem Büro sein. Sie waren sich morgens ein paar Mal begegnet, und sie hatte jedes Mal sehr professionell ausgesehen. Er schätzte sie auf Ende Zwanzig, allerhöchstens dreißig.
Hätte er Interesse daran gehabt, sich mit einer Frau einzulassen, dann wäre seine Wahl eher auf Hallies Freundin gefallen. Als sie vorhin aus dem Auto stieg, wäre ihm fast der Baseball aus der Hand gefallen. Die Frau sah umwerfend gut aus mit ihren endlos langen, wohlgeformten Beinen und einer ebenso wohlgeformten Figur. Aber Mary Lynn war auch eine Schönheit. In Gedanken wieder bei seiner Ex-Frau, trat er vom Fenster weg.
„Eure Mutter hat sich verspätet“, bemerkte er beiläufig. Er hoffte jedenfalls, dass sein Ton beiläufig klang.
„Kip ist mit ihr zu einer Weinprobe gegangen“, murmelte Meagan, um im nächsten Moment erschrocken aufzublicken, als hätte sie etwas Unerlaubtes gesagt.
„Keine Angst, deine Mutter hat mir erzählt, dass sie einen Freund hat“, beruhigte Steve seine Tochter.
„Sie hat dir von Kip erzählt?“ fragte Meagan erstaunt.
„Ja.“ Er setzte sich zwischen die Kinder auf die Couch und legte ihnen die Arme um die Schultern. „Es muss doch ein seltsames Gefühl für euch sein, dass eure Mutter einen Freund hat“, fing er an. Wenn ihm die Sache mit Kip zu schaffen machte, dann gefiel sie seinen Kindern vermutlich genauso wenig. Deshalb wollte er ihnen versichern, dass sie, was
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