Happy End in Seattle (German Edition)
Innenstadt Seattles war neutrales Territorium. Sanford hatte es ausgesucht, und nach den appetitlichen Düften zu urteilen, die aus der Küche zogen, hatte er eine gute Wahl getroffen. Trotzdem fürchtete Donnalee, dass sie keinen einzigen Bissen herunterbekam.
Ein großer, distinguiert aussehender Mann betrat das Restaurant und blieb zögernd stehen. Schnell nahm Donnalee eine Brille vom Schoß und setzte sie auf, um zur Tür zu spähen. Dummerweise war ihr heute die letzte ihrer Kontaktlinsen ins Waschbecken gefallen, und ehe sie es bemerkte, hatte sie das Ding den Abfluss hinuntergespült. Jetzt musste sie sich mit ihrer alten Brille behelfen, die sie jedoch nur dann aufsetzte, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ.
Der Mann sprach kurz mit der Bedienung und warf dann einen Blick in ihre Richtung.
Schnell nahm Donnalee die Brille ab und legte sie wieder auf den Schoß. Sie kniff die Augen zusammen. Es war unfassbar. Er sah sogar verschwommen gut aus. Er war es, ganz bestimmt. Er musste es sein. Ihre anfängliche Nervosität war nichts im Vergleich zu der Aufregung, die sie jetzt ergriff.
Er kam an ihren Tisch. „Donnalee?“
„Sanford?“
Angesichts seines offenen Lächelns entspannte sie sich ein wenig. „Ihr Foto wird Ihnen nicht gerecht“, sagte er.
„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben“, murmelte sie und meinte es ernst.
Lächelnd zog er einen Stuhl zurück und setzte sich zu ihr. Das war der Anfang des faszinierendsten Abends ihres Lebens. Später, als sie Hallie anrief, schwebte Donnalee noch immer auf Wolken.
„Er ist umwerfend“, schwärmte sie. „Einfach unglaublich. Wir konnten gar nicht aufhören zu reden. Bis Mitternacht saßen wir in diesem Restaurant. Als sie uns hinauswarfen, sind wir in eine Kneipe gegangen, wo wir Kaffee getrunken und unsere Unterhaltung fortgesetzt haben.“
„Wie spät ist es?“ fragte Hallie gähnend.
„Zwei Uhr.“ Donnalee hätte ihre Freundin niemals mitten in der Nacht aus dem Schlaf geklingelt, wenn Hallie sie nicht beschworen hätte, bei ihr anzurufen, sobald sie nach Hause kam. Dreimal hatte sie die Nachricht auf Donnalees Anrufbeantworter gesprochen.
Hallie stockte hörbar der Atem. „Was? Und du bist erst jetzt nach Hause gekommen? Aber es war doch eure erste Verabredung!“
„Ich weiß.“ Ein verträumter, sehnsüchtiger Ton lag in Donnalees Stimme.
„Er ist doch nicht etwa bei dir?“ flüsterte Hallie.
„Du lieber Himmel, nein! Für was für eine Frau hältst du mich?“
„Für eine Frau, die zu lange ohne Mann war! Hat er deine Erwartungen erfüllt?“
„Mehr als das. Oh, Hallie, du kannst es dir nicht vorstellen. Er ist so nett und so romantisch und so unterhaltsam. Wir haben so viel Spaß miteinander gehabt. Ich hätte die ganze Nacht mit ihm reden können. Zum Schluss sind wir Hand in Hand am Wasser entlangspaziert.“
„Hat er dich geküsst?“
„Ja. Ich habe ihm sogar von Larry erzählt.“
Donnalee redete nicht gern über ihre Scheidung, und sie hatte gewiss nicht vorgehabt, das Thema gleich bei ihrer ersten Verabredung mit Sanford zur Sprache zu bringen. Nur mit wenigen Worten hatte sie ihre gescheiterte Ehe erwähnt, sie leichthin als jugendlichen Irrtum abgetan. Umso mehr erstaunte es sie, wie gut Sanford zwischen den Zeilen zu lesen verstand. Er hatte ihre Hand gedrückt und war stehen geblieben. Während die leichte Brise, die vom Puget Sound zu ihnen hinüberwehte, ihr durchs Haar strich und die Lichter der Fähre sich auf dem dunklen Wasser widerspiegelten, hatte er ihr die Hand unters Kinn gelegt und ihr Gesicht angehoben. Und dann hatte er sie zart geküsst.
Donnalee ging auf diesen Kuss nicht näher ein. Hallie war zwar ihre beste Freundin, doch manche Dinge behielt man einfach für sich.
„Wirst du ihn wiedersehen?“ wollte Hallie wissen.
„Morgen. Nein, heute“, verbesserte sich Donnalee. Sie hatte sich fest vorgenommen, vorsichtig an die Sache heranzugehen, und sie hätte sich auch an diesen Vorsatz gehalten, aber … Aber sie mochte diesen Mann. Sie mochte ihn so sehr, dass es ihr Angst machte. Es ging alles viel zu schnell.
„Du scheinst ja ganz verrückt nach ihm zu sein.“ Hallies Ton klang fast ein wenig enttäuscht.
Seltsamerweise schien Donnalee sie zu verstehen. Sie wusste, es war nicht so, dass Hallie ihr das Glück missgönnte. Sie hatte bloß nicht erwartet, dass Donnalee so mühelos den richtigen Mann finden würde. Und offen gestanden hatte sie selbst genauso wenig damit
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