Happy End in Virgin River
es bedeutet nicht, dass die Welt mich wiederhat, aber es ist ein Essen mit einem Freund. Und das fühlt sich gut an.“
Zwei Wochen später trafen sie sich abermals in Santa Rosa, diesmal in einem französischen Restaurant, das zu einem Weingut gehörte. Wieder war es ein kleines Restaurant, wo Brie alle Gäste überblicken konnte. Und weitere zwei Wochen später noch einmal Santa Rosa. Jedes Mal, wenn er sie sah, wollte er auf sie zulaufen, sie in die Arme nehmen und sie ein wenig halten, aber immer steckte er die Hände in die Taschen, lächelte und nickte ihr zur Begrüßung zu. In der sechsten Woche und beim vierten Essen umarmte sie ihn zum Abschied. „Ich danke dir“, sagte sie. „Ich glaube, das hilft mir.“
Die Zeit zwischen ihren Treffen überbrückten sie mit Telefonaten. Wenn sie sich unterhielten, fühlte er sich ständig an die couragierte, besserwisserische Frau erinnert, in die er sich verliebt hatte. Aber er hatte es mit einer unsicheren Frau zu tun; einer Frau, die ihr Vertrauen verloren hatte. Im Kern ihres Wesens allerdings war sie dieselbe geblieben – aufrichtig, humorvoll, mutig.
Mike sah sich mit der Herausforderung eines ersten Mals konfrontiert. Er behandelte sie schonend und freundlich, was ihm nicht schwerfiel, denn wenn er etwas war, dann ein Gentleman. Aber er musste sich anstrengen, um so zu tun, als würde er sich keine Sorgen um sie machen, als würde sie ihm nicht leidtun, wo doch in Wirklichkeit nichts so schwer für ihn war wie das Wissen darum, dass die Frau, die er zutiefst bewunderte, die ihm so sehr am Herzen lag, derart brutal behandelt worden war. Er konnte sie nicht auch noch mit seinen Problemen belasten. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun. Es war nicht leicht für ihn, zu verhindern, dass sich seine Besorgnis in seinem Blick, in seinem Lächeln verriet. Was sie jetzt brauchte, war Stärke, nicht Schwäche. Er hatte nicht vor, der Schwachpunkt in ihrem Leben zu sein.
In ihren Gesprächen erwähnten sie beide Jack mit keinem Wort, außer wenn Brie von ihrer Familie erzählte, wie sie aufwuchs, wie sehr sie ihn vermisst hatte, als er zu den Marines ging. Und Jack hatte bislang von den Telefonaten oder den Treffen nichts erwähnt.
Der Sommer neigte sich dem Ende entgegen. Im Juni waren Mel und Jack aus Sacramento zurückgekehrt, und der Sommer war für Mel reichlich nervenaufreibend gewesen. Oft musste sie an ihre fünfzehnjährige Patientin denken, denn sie war nicht wieder in der Praxis aufgetaucht, um sich auf Geschlechtskrankheiten hin testen zu lassen. Außerdem hatte Mel zwei schwangere Frauen zu betreuen, von den anderen Patienten ganz zu schweigen, die in Doc Mullins kleine Klinik kamen.
Und seit Wochen hatte ihr Mann sie nicht angerührt.
Gewöhnlich begann Jack den Tag damit, dass er in aller Herrgottsfrühe seine Geschäfte in Angriff nahm. Er hackte Holz, sah sich den Tagesplan an, beriet sich mit Preacher und erledigte die notwendigen Arbeiten in der Bar – Inventur, Einkaufsfahrt, Hilfe bei der Bedienung der Gäste während der Essenszeiten. Wenn es ihm gelang, sich dort freizumachen, fuhr er zum neuen Grundstück hinaus, um an ihrem Haus zu arbeiten.
Letzteres schien ihn jetzt mehr zu beschäftigen, vermutlich, weil er dort allein sein konnte. Und es schien, dass Jack seit dem Angriff auf seine Schwester sehr viel mehr Zeit für sich brauchte. Über Bries Vergewaltigung sprach er allerdings nicht; da blieb er stumm wie ein Stein.
Manchmal, wenn es bei Doc nichts zu tun gab, fuhr Mel mit dem Baby hinaus und sah Jack zu, wie er Nägel ins Holz trieb, hobelte, die Latten anglich und riesige Bohlen schulterte. Normalerweise unterbrach er seine Arbeit, sowie er sie sah, und verbrachte ein wenig Zeit mit ihr. In diesen Tagen aber – in diesen Wochen – regierte das Schweigen.
Fast jeden Tag rief Brie an, denn wenn sie es nicht tat, rief Jack sie an. Brie selbst ging es sowohl physisch als auch emotional immer besser. Jack nicht. Mel war sich schmerzlich bewusst, dass dies der Grund dafür war, dass sie so lange nicht mehr miteinander geschlafen hatten, und für sie beide bedeutete das eine Ewigkeit. Immer hatten sie sich oft und befriedigend körperlich geliebt; sexuell waren sie wie füreinander geschaffen. Die körperliche Liebe war eine Triebkraft ihrer Ehe. Jack hatte ein starkes Verlangen, ein mächtiges Verlangen, und Mel hatte gelernt, sich auf die erstaunliche Erfüllung zu verlassen, die er ihr verschaffte. Nichts gab ihr das Gefühl, so
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