Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
Vom Netzwerk:
Silvester übrig gebliebenen D-Böllers. Anschließend hatte Mama versucht, ihm zu erklären, wie so eine Toilette funktioniert. Mit mäßigem Erfolg. Als er fertig war, war unser Bad eine kontaminierte Zone.
    Jetzt betrachtete Papa sich Cheyennes Aktzeichnungen, die an der Wand hingen. Er starrte irritiert eine dicke Frau an, gegen die die Weiber, die der olle Rubens früher gepinselt hatte, aussahen wie magersüchtige Topmodels. Noch merkwürdiger waren die Aktbilder, die Cheyenne von Männern gezeichnet hatte. Ich war mir nicht sicher, ob Minderjährige so etwas überhaupt sehen sollten.
    «Boah!», kommentierte Jacqueline die Zeichnungen. «Die Typen können ja Lasso werfen ohne Lasso.»
    «Danke, dieses Bild habe ich in meinem Kopf echt nicht gebraucht», sagte ich.
    Dass dieses Mädchen überhaupt mitgekommen war! Mama hatte sie noch in der Wohnung gefragt, ob nicht ihre Eltern Probleme damit hätten, wenn sie einfach so weg war, aber statt einer Antwort hatte es von ihr nur einen Lachkrampf gegeben.
    Ich überlegte mir gerade, ob ich sie nicht mal ein bisschen hypnotisieren sollte, zum Beispiel so, dass sie sich für ein Reh hielt, das auf der Autobahn Wildwechsel machen will. Doch bevor ich ihr in die Augen blicken konnte, rief Cheyenne vom Fahrersitz: «Auf nach Transsilvanien!»
    Sie sauste los, und alle, die noch nicht saßen, fielen zu Boden.
    «Ey, Alte, hast du eigentlich einen Führerschein?», fragte Jacqueline, während sie sich vom Boden aufrappelte.
    «Nö, wieso?», fragte Cheyenne.
    Und Jacqueline grinste: «Geil.»
    Ich krabbelte zu Mama auf das Sofa, aber sie würdigte mich keines Blickes. Sie sah ein bisschen übel aus. Ich überlegte mir, ob ich sie darauf ansprechen sollte, aber entschied mich dagegen, die Hälfte aller Gespräche zwischen uns endeten ja in einem Streit, und ich hatte gerade absolut keine Lust, geschweige denn Kraft für eine Auseinandersetzung. Stattdessen holte ich aus meinem Rucksack mein Handy und sah mir – Maso, der ich war – wieder die «Ich schiebe dich auch»- SMS von Jannis an. Dass ich auf ihn so reingefallen war. Er hatte mich hypnotisiert, ohne mich hypnotisiert zu haben. Er setzte seine Kraft egoistisch ein. Und er lebte gut damit. Während ich litt. Und Noemi würde sicher auch bald leiden, wenn er ihren beiden Brüsten den Laufpass gab.
    Aber Moment mal! Ich hatte doch jetzt auch Hypnosefähigkeiten wie er. Jetzt konnte ich ja diejenige sein, die die Herzen bricht. Ich musste nur genauso gewissenlos werden wie Jannis. Also zu einem echten Monster. Das sollte kein Problem sein, ich sah ja schon so aus wie eins. Super, ab jetzt würde ich nie wieder Liebeskummer haben. Nur noch für welchen sorgen! So beschloss ich lächelnd: Den ersten gutaussehenden Kerl, auf den ich traf, würde ich hypnotisieren und ihm dann genüsslich das Herz brechen. Zugegeben, das war kein netter Plan, aber er ließ mich mein blödes Selbstmitleid vergessen. Und außerdem: Welches Monster ist schon nett?

[zur Inhaltsübersicht]
MAX
    Cheyennes gelber VW -Bus sauste auf der Autobahn Richtung Sachsen von links nach rechts in spitzwinkeligen Diagonalen. Entweder auf der Überholspur, was die Porsches und Mercedes zu abrupten Bremsmanövern zwang, oder auf dem Standstreifen. Von mittleren Fahrbahnen hielt Cheyenne nichts.
    Von Sachsen aus sollte die Route über Wien, Prag und Budapest nach Rumänien führen. In drei Tagen war das zu schaffen, es durfte nur nichts schiefgehen. Aber wir waren die Wünschmanns, «schiefgehen» lag in unserer genetischen Codierung.
    Ich hockte neben Jacqueline auf dem Boden. Die spielte auf ihrem schicken iPhone, das sie von einem Mitschüler bekommen hatte, als Gegenleistung dafür, ihn nicht weiter mit Hilfe eines Würgegriffes daran zu erinnern, dass der menschliche Körper Sauerstoff zum Überleben benötigt. Zuerst hatte ich vermutet, sie würde auf dem iPhone irgendeinen Ego-Shooter spielen, in dem man Nazi-Walküren eliminiert oder so etwas. Aber tatsächlich spielte sie ein Spiel, in dem sie Daisy Duck helfen musste, sich für ein amouröses Date mit Donald hübsch zu machen. Besaß Jacqueline etwa heimlich den Wunsch, auch ein normales, hübsches Mädchen zu sein, so eins mit süßem Kleid und Schminke? Würde ich noch eine heile Rippe besitzen, wenn ich sie danach fragte?
    Beim Spielen wirkte sie jedenfalls im Gesicht femininer als je zuvor. Was allerdings kein Problem war, denn das bedeutete ja nur, dass sie femininer wirkte als John

Weitere Kostenlose Bücher