Happy Family
Besuch in einem UN -Flüchtlingslager sagen würde.
Fee schwieg und versuchte an ihren bandagierten Fingern zu knibbeln. Max schwieg auch und wedelte mit dem Schwanz. Frank schnarchte und blähte.
Für eine kurze Sekunde war ich erleichtert, auf dem Balkon zu stehen.
Man hätte ihn das Monster von Frankenfurz nennen sollen.
Ich hörte Max leise murmeln: «Ich hasse meine gute Nase.»
Dann wieder Stille. Ich trat an den Rand des Schattens. Die Kinder hielten die Luft an. Nicht nur wegen Frankenfurz.
Ich atmete ebenfalls tief ein. Obwohl ich das ja eigentlich gar nicht musste. Ich brauchte das aber, um all meinen Mut zusammenzunehmen, und trat einen Schritt vor. Den entscheidenden Schritt. Den in die Sonne. Und ich brannte! Lichterloh!
Nicht wie eine olympische Fackel. Sondern nur an den Händen und im Gesicht. Wie ein Mallorca-Tourist, der am Abend feststellt: «Eieiei, ich hätte mal lieber doch nicht am Strand ein so langes Nickerchen machen sollen.»
Ich sprang zurück, lief in die Wohnung und schloss die Balkontür hinter mir zu.
«Du … du hast es geschafft», fand Fee als Erste von uns ihre Sprache wieder.
«Du bist nicht oxidiert», atmete auch Max durch. Und in diesem Augenblick war auch ich happy. Zum einen hatte ich überlebt, was schon an sich großartig war. Aber es war jetzt auch klar, dass ich mit Sunblocker, Handschuhen und Sonnenbrille reisen können würde, und so verkündete ich mit einem breiten Lächeln: «Auf nach Transsilvanien!»
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FEE
Na toll, jetzt reisten wir auch noch nach Transsilvanien! Hätte diese bescheuerte Hexe nicht wenigstens aus Nizza kommen können? Dann wären wir mal wenigstens zu einem schönen Ort gereist. Die letzten Jahre waren wir ja nur im Urlaub auf der Nordseeinsel Borkum gewesen, wo der traurige Höhepunkt stets die Wattwanderung mit Wilhelm, dem Wattführer, war, bei der er immer mit seinen Gästen «Ich sag Wilhelm, du sagst Watt» sang. Ansonsten war es eine Insel, auf der die angeödeten Teenager im Urlaub ziemlich oft an rituellen Selbstmord dachten.
Zwar war die Vorstellung, jetzt mit meiner Familie zu verreisen, ein Horror, aber es gab keine Alternative. Ich wollte mir ja nicht auf ewig beknackte Binden-Sprüche anhören. Außerdem war ich viel zu fertig, um über Mamas halbgaren Transsilvanien-Plan zu meckern. Teils wegen meines Zustandes, aber zum viel größeren Teil wegen Jannis. Die Hexe hatte mich zwar verwandelt, aber Jannis hatte mich zerstört. Und auch, wenn ich mir dreihundertmal sagte: Vergiss den Idioten, er hat es nicht verdient, hörte ich kein bisschen auf mich selber und litt fürchterlich.
Als wir aus der Wohnung gingen, trug Mama Jeans und Pulli, zusätzlich noch Handschuhe und eine Riesen-Sonnenbrille. Für Papa und Max war nichts Passendes zum Umziehen da gewesen, so lief Papa im Frankensteinkostüm herum und Max wie ein nackter Hund, während ich gerade noch mal so meine Lederjacke über die Bandagen hatte ziehen können, was nur eine unwesentliche Verbesserung meines Styles bedeutete.
Ich betrat hinter den anderen durch die Schiebetür Cheyennes knallgelben Hippie-Bus und wurde fast farbenblind. Die Wände waren orange, die Decke braun und der Flokati-Teppich auf dem Boden dunkelgrün, wobei ich mir ziemlich sicher war, dass er vor dreißig Jahren noch eine andere Farbe gehabt hatte.
«In diesem Bus habe ich in den 60ern mit Paul McCartney geschlafen», verriet Cheyenne mir in einem verschwörerischen Tonfall.
«Whao», sagte ich, beeindruckt.
«Und John Lennon.»
«Cool», noch etwas beeindruckter.
«Und Yoko Ono.»
«Okay …»
«Es war eine tolle Stunde mit denen», schmunzelte Cheyenne, und da konnte ich dann doch nicht anders: Trotz allem musste ich zurückgrinsen.
Die alte Dame war schon ziemlich cool. Sie hatte kaum mit der Wimper gezuckt, als sie uns Monstern begegnet war. In ihrem Leben hatte sie schon diverse unmöglich scheinende Wesen gesehen, selbst wenn sie vorher kein LSD eingeworfen hatte. Zum Beispiel in den Anden ein Huhn, das viereckige Eier legte, in Afrika einen dreibeinigen Pygmäen, am Roten Meer einen zweibeinigen Delfin und in Los Angeles einen einbeinigen Stepptänzer … Was für ein spannendes Leben Cheyenne geführt hatte!
Während Cheyenne auf den Fahrersitz kletterte, plumpste Mama auf ein abgewetztes Sofa, und Papa fläzte sich auf einen orangenen Plüschsessel. Nur mit Mühe hatten wir ihn in der Wohnung wieder wach bekommen, nicht zuletzt dank eines von
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