Happy Family
schon erwähnt, dass ich einen Drei-Sterne-Koch an Bord habe?»
«Nein, das hast du nicht», schmunzelte ich.
«Ich habe einen Drei-Sterne-Koch an Bord.»
Während er das sagte, lächelte er so, dass meine Knie ganz weich wurden.
Dieser Vampir hatte eine Wirkung auf Frauen. Und eine ganz besondere auf Vampirinnen mit Seele.
Kurz darauf speisten wir das phantastischste Menü aller Zeiten: Es gab mosambikanisches Büffelfleisch, tibetanischen Ziegenkäse und ein andalusisches Tiramisu, das so verboten gut war, dass ich nie wieder ein italienisches würde essen wollen. Allesamt waren es Köstlichkeiten, die selbst dem abgestumpftesten Gourmet-Kritiker den Atem verschlagen hätten.
Während wir aßen, berichtete Dracula von verborgenen Orten voller Schönheit, die er mir alle zeigen wollte: Da war die geheime afrikanischen Stadt B’wana, deren Ruinen verborgen im kongolesischen Dschungel lagen, oder der sagenumwobene Lotusblumen-Tempel in Burma. Dracula beschrieb die Schönheit dieser Orte so lebhaft, dass seine Schilderungen mich sogar noch mehr anregten als die wunderbaren Speisen und der wunderbare Wein. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, dass es in unserer modernen, völlig vermessenen Welt noch so viele verborgene Orte voller Geheimnis, Anmut und Schönheit gab. Es musste zauberhaft sein, mit Dracula dorthin zu reisen. Dagegen wirkte ein Trip nach Mauritius mit Hugh Grant, wie meine ehemalige Kollegin Lena ihn gemacht hatte, sicherlich eher wie ein Besuch im Zoo von Bad Salzuflen.
In Gedanken war ich schon nicht mehr im Learjet bei Speis und Trank, ich ging mit Dracula durch den Tempel voller Lotusblumen und roch an deren Blüten.
«Woran denkst du?», unterbrach Dracula meinen gedanklichen Spaziergang.
Anstatt zu antworten, legte ich meine Gabel beiseite und betrachtete ihn mir. Er hatte Augen, in denen man versinken konnte. Sie passten so wunderbar zu diesen sinnlichen Lippen. Und zu diesem edlen blassen Gesicht. Und zu dem muskulösen Körper. Garantiert hatte er unter seinem feinen Hemd ein Six-Pack, und bestimmt war seine Körperfettwaage arbeitslos. Wie es wohl sein mochte, im Lotusblumen-Tempel mit Dracula Liebe zu machen? Cheyenne hatte mir ja berichtet, dass er im Bett ein Virtuose war.
Halt, Moment mal! Das alles durfte ich doch nicht denken!
Andererseits, warum sollte ich mir so etwas nicht ausmalen? Wem gegenüber sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mit Dracula schlafe? Etwa gegenüber Schmuleika-Frank? Bestimmt nicht!
Ich wollte diesen Mann … Vampir … Learjetbesitzer … Und er wollte mich! Das konnte man in seinem Blick sehen. Der war nicht lüstern. Sondern verliebt. Unfassbar, ein solcher Mann liebte ausgerechnet mich, Emma Wünschmann!
Aber noch einmal: Halt, Moment mal! Vielleicht war das Ganze ja hier auch nur ein Trick, um mich herumzukriegen. Womöglich war das Essen mit Stoffen angereichert, die mich gefügig machen sollten. Wie konnte man sonst erklären, dass ich ihn wollte und kaum noch an meine Familie dachte? Dracula war jegliche Schandtat zuzutrauen, selbst wenn er nicht Dracula gewesen wäre, sondern lediglich der Konzernchef von Gugel.
«An was denkst du?», fragte er noch mal.
«Hast du was in mein Essen getan?», fragte ich direkt zurück.
«Wieso sollte ich das tun?»
«Um mich scharf auf dich zu machen.»
«Das heißt», antwortete er erfreut, «du begehrst mich?»
Upps.
Ich musste schnell aus der Nummer herauskommen und antwortete: «Ähem … nein … nein, wie kommst du denn darauf?»
«Weil du die Vermutung hast, dass ich dir heimlich Aphrodisiaka ins Essen geträufelt habe.»
«Ähem, ja, so kann man wohl darauf kommen …», gab ich zu.
«Aber wenn ich solche hineingeträufelt hätte …»
«… würden sie gar nicht wirken!», vollendete ich hastig.
Dracula musterte mich. Amüsiert. Er glaubte mir kein Wort. Dann lächelte er freundlich und sagte: «Wenn du mich je begehren solltest, verehrteste Emma, dann aus freien Stücken und nicht, weil ich mit Magie nachhelfe. Eine wahre Liebe sollte auf Ehrlichkeit und Wahrheit aufgebaut sein.»
«G… gut», erwiderte ich.
Dabei war es gar nicht gut. Ich war also nicht scharf auf Dracula, weil er mir was ins Essen getan hatte, ich war scharf auf ihn, weil ich scharf auf ihn war. Und ich dachte etwa nicht nicht an meine Familie, weil er versuchte, mich zu überlisten, ich dachte nicht an meine Familie, weil ich nicht an meine Familie dachte. Und das Ganze bereitete mir in diesem
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