Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
Eis-Catwalk – allerdings aus Platzgründen nicht im Haus, sondern draußen vor dem Hotel. Dieter und ich waren etwas skeptisch, denn eigentlich war es einer unserer Grundsätze, wegen der Abhängigkeit vom Wetter nach Möglichkeit nichts im Freien zu machen. Doch Junger wischte die Bedenken beiseite: »Unwahrscheinlich.« Gut, sein Wunsch.
Eine Show auf Schlittschuhen allein war mir natürlich nicht aufsehenerregend genug, schließlich hatte ich so was schon einmal gemacht. Ritz, dachte ich, Moment mal. Da war doch was … Und ich erinnerte mich an die Zeit, als die gruselige Teilhaber-Geschichte in vollem Gange war und ich mich manchmal einfach in den Zug gesetzt hatte und nach Paris gefahren war. Einfach so, um auf andere Gedanken zu kommen. Andere Leute gehen vielleicht zum Friseur oder ins Fitness-Studio. Ich fahre eben nach Paris, wenn ich ausspannen will.
Dort hatte ich entweder im Le Meurice oder eben im Ritz an der Place Vendôme eingecheckt, Fünf-Sterne-Luxus, trotz allem. Denn wenn man einmal anfängt, dem Universum das Gefühl zu geben, dass man sich irgendwas nicht leisten kann, dann ist das auch ruck, zuck so. Sparen konnte ich woanders, ich fuhr zum Beispiel zu Beginn in Berlin immer U-Bahn statt Taxi. Aber Hotels unter fünf Sternen, das wäre für mich wie aufgeben gewesen.
Ich komme von einem spätnachmittäglichen Spaziergang in den Tuilerien-Gärten ins Hotel zurück. Wenn man die Lobby des Hotel Ritz in Paris betritt, versinkt man nicht nur in schweren, kostbaren Teppichen, sondern in einer anderen Welt. In einer Welt des Luxus, der Zeit des Rokokos. Über allem liegt der schwere Duft eines arabisch anmutenden Parfums. Ich glaube, ich könnte ihn überall auf der Welt erkennen und diesem Hotel zuordnen. Vielleicht hat das Hotel am Place Vendôme den Anstoß zu Patrick Süßkinds Roman Das Parfum gegeben? Ich könnte es mir gut vorstellen.
Draußen dämmert die blaue Stunde, es ist noch zu früh fürs Abendessen, aber genau richtig für einen Drink. Ich bestelle mir in der hauseigenen Bar Vendôme einen Aperitif und lasse den Blick schweifen. DieSofas sind mit feinstem Brokat bezogen, die Gardinen sind zart wie Kirschblütenblätter, und die schweren beigefarbenen Vorhänge glänzen wie feuchter Sand am Meer. Und plötzlich ist da der Gedanke. Der Gedanke, dass im Ritz alles, jede Kleinigkeit bis hin zum Lampenschirm, aus so grandiosen Stoffen gemacht ist, dass ich sie am liebsten herunterzerren würde, um daraus Kleider zu nähen.
Und genau das wollte ich jetzt endlich in die Tat umsetzen. Der Direktor war von der Idee begeistert und ließ mir original Vorhang-, Bezugs- und Möbelstoffe bestellen – von den eigenen Lieferanten, aber auch aus dem Ritz in Paris und dem in London. Daraus machte ich die Roben für die Show, die mit diesen herrlichen Stoffen absolut bombastisch wurden: glänzend und edel wie das Interieur eines Ritz.
Die Leute vom Hotel waren sehr kooperativ und taten alles, um mich zu unterstützen und meine Vorstellungen umzusetzen. Nur an eines hatte man nicht gedacht: eine Überdachung für den Laufsteg. Und natürlich kam es, wie es kommen musste. Am Eröffnungstag zog es sich vormittags langsam zu. Gegen halb zwölf begann es zu nieseln. Um halb zwei regnete es. Ab fünfzehn Uhr schüttete es aus Eimern, die reinste Sintflut – und das alles bei ungemütlichen Temperaturen knapp über null. Trotzdem entschied sich die Hoteldirektion nach einiger Diskussion, die Show mit Verspätung draußen stattfinden zu lassen.
Der Direktor begann eine Ansprache zu halten. Währenddessen standen die Gäste, darunter der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel und seine Frau Barbara, mit den Füßen in knöcheltiefen Pfützen. Der Regenvorhang wurde immer dichter, und auf dem Eis-Catwalk stand das Wasser – bis irgendwann klar wurde, dass eine Show undenkbar war, und die Rede abgebrochen wurde. Mit weniger Gequatsche hätten wir es wohl gerade noch geschafft, aber der kritische Punkt war überschritten. Wasser auf Eis war tückisch beim Schlittschuhlaufen, und natürlich wären die Kleider sofort tropfnass gewesen. Ich ärgerte mich – warum mussten immer alle so furchtbar lahm sein? Als nun bekannt gegeben wurde, dass die Außen-Pompöös-Show leider ausfalle, reagierten einige Gäste verständlicherweise ungehalten. Sie waren durchnässt bis auf die Knochen – für nichts. Jetzt sammelten sich alle im Foyer und hinterließen Pfützen auf dem nagelneuen Nobelteppich.
Was
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