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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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sehen, und mir deshalb keine großen Sorgen gemacht.«
    »Ich hab mich in der Stadt verlaufen, Großvater«, sagte das dicke Mädchen. »So haben wir fast einen ganzen Tag verloren.«
    »Macht nichts, macht nichts«, sagte der Professor. »Ob früh oder spät, das macht jetzt keinen Unterschied mehr.«
    »Was macht keinen Unterschied mehr?«, fragte ich.
    »Die komplizierten Dinge besprechen wir später, ja? Setzen Sie sich erst mal. Zunächst müssen nämlich die Blutegel runter. Das gibt sonst Narben.«
    Ich ließ mich in der Nähe des Professors nieder. Das Mädchen setzte sich neben mich, holte Streichhölzer aus der Tasche und flammte die Egel, die mir am Hals klebten, ab. Die Viecher hatten sich voll gesogen, sie waren fett wie Flaschenkorken. In der Streichholzhitze zischten sie richtig. Sie fielen zu Boden und wanden und krümmten sich dort, bis das Mädchen sie mit seinen Joggingschuhen zertrat. Meine Haut spannte wie nach einer Brandverletzung. Ich hatte das Gefühl, sie würde aufplatzen wie eine überreife Tomate, wenn ich zu heftig den Kopf bewegte. Noch eine Woche in diesem Stil, und man könnte mit Bildern von meinen Wunden ein ganzes medizinisches Lehrbuch illustrieren. Oder ein schönes Farbposter komponieren, jede Wunde ein kleines Foto, wie bei den Fußpilzplakaten, die in den Apotheken hängen. Ein aufgeschlitzter Bauch, eine Beule am Kopf, Blutegelstriemen – und ein kleines Beispiel für Erektionsinsuffizienz. Das wäre das Fürchterlichste.
    »Habt ihr etwas zu essen dabei?«, sagte der Professor. »Ich musste überstürzt aufbrechen und konnte nicht genug einpacken, seit gestern hab ich nur Schokolade gegessen.«
    Ich machte meinen Rucksack auf, holte Dosen, Brot und die Feldflasche mit Wasser heraus und reichte ihm alles, zusammen mit einem Dosenöffner.
    Zuerst trank er genüsslich etwas Wasser, dann studierte er nacheinander die Büchsen, als suche er sich aus einer Reihe Weinflaschen den besten Jahrgang aus. Schließlich machte er die Pfirsiche und eine Dose Corned Beef auf.
    »Möchtet ihr auch etwas?«, fragte der Professor. Wir lehnten dankend ab. Unter den gegebenen Umständen und zu dieser Zeit wollte sich bei uns kein rechter Appetit einstellen.
    Der Professor brach sich Brot ab, legte ein ordentliches Stück Corned Beef darauf und kaute genüsslich. Dann verzehrte er ein paar Pfirsiche, setzte anschließend die Dose an und schlürfte den Saft. Unterdessen packte ich den Flachmann aus und genehmigte mir zwei, drei Schluck. Gleich ging es mir, was meine diversen Schmerzen betraf, etwas besser. Nicht, dass sie nachgelassen hätten, doch der Alkohol betäubte die Nerven so weit, dass die Schmerzen mir quasi wie autonome Existenzen vorkamen, die mit mir direkt nichts zu tun hatten.
    »Ah, das kam zur rechten Zeit!«, sagte der Professor zu mir. »Normalerweise habe ich hier immer einen Notvorrat liegen, der für ein paar Tage reicht, aber diesmal hatte ich vergessen, wieder aufzufüllen. Wirklich unverzeihlich! Wenn die Tage ruhig dahinplätschern, lässt man in seiner Vorsicht nach. Das wird mir eine Lehre sein. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Die Sprichwörter unserer Vorfahren sind wirklich nicht dumm!« Der Professor ließ ein Weilchen sein dröhnendes Lachen hören.
    »Jetzt haben Sie gegessen, gut«, sagte ich. »Kommen wir zur Sache. Erzählen Sie bitte von Anfang an, der Reihe nach. Was hatten Sie vor? Was haben Sie schließlich getan? Welche Folgen ergaben sich daraus? Welche Rolle kommt mir dabei zu? Erzählen Sie bitte alles.«
    »Das wird aber ziemlich fachspezifisch«, meinte der Professor zweifelnd.
    »Erklären Sie es in einfachen Worten. Ich will nur den groben Hergang wissen und was konkret zu tun ist.«
    »Wenn ich rückhaltlos alles erzähle, werden Sie wahrscheinlich wütend auf mich werden …«
    »Ich werde nicht wütend«, sagte ich. »Was sollte Wut jetzt schon noch nützen?«
    »Zunächst muss ich mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte der Professor. »Ich habe Sie getäuscht und benutzt, wenn auch aus wissenschaftlichen Gründen, und damit in diese Klemme gebracht. Das war nicht richtig. Das ist kein Lippenbekenntnis, es tut mir wirklich von Herzen leid. Nur sind meine Studien – das müssen Sie verstehen – von unvergleichlicher Bedeutung und von unvergleichlichem Wert. Wissenschaftler, die auf eine Ader der Erkenntnis stoßen, neigen dazu, alles andere aus den Augen zu verlieren. Aber gerade deshalb kommt die Wissenschaft immer wieder voran,

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