Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
würde ich sterben oder meinetwegen auch erlöschen, doch in diesem elenden Loch von einem Fisch gefressen werden, das wollte ich auf keinen Fall. Der Tod sollte mich unter der vertrauten Sonne ereilen. In dem kalten Wasser wurden mir die Arme schwer, doch ich schwamm aus Leibeskräften weiter.
»Du bist wirklich schwer in Ordnung«, sagte die Kleine. Ihre Stimme verriet nicht die Spur von Erschöpfung. Eine Plauderstimme wie aus dem Badehaus.
»Der Meinung ist eigentlich kaum jemand«, sagte ich.
»Ich schon!«
Ich schaute mich um. Das Lampenlicht des Professors war schon in weite Ferne gerückt, doch meine Hände ertasteten noch immer nicht das Ziel, die Felswand. Warum, dachte ich, ist das bloß so verdammt weit? Und wenn es so weit war – hätte er nicht ein Wort sagen können? Ich hätte mich darauf einstellen können. Wo blieb der Fisch? Hatte mich wohl noch nicht bemerkt, was?
»Ich will meinen Großvater nicht rechtfertigen«, sagte die Kleine, »aber er hatte nichts Böses vor. Er vergisst nur alles um sich herum, wenn er von einer Sache besessen ist. Auch bei dir, er hatte nur Gutes im Sinn. Bevor das System wer weiß was mit dir anstellt, wollte er das Rätsel auf seine Art lösen, wollte dich retten. Dass er kooperiert und an Menschen Experimente durchgeführt hat, beschämt ihn selbst zutiefst. Das war nicht richtig von ihm.«
Ich schwamm wortlos weiter. Das war nicht richtig von ihm. Was sollte das jetzt noch?
»Verzeih ihm bitte«, sagte sie.
»Ob ich deinem Großvater verzeihe oder nicht, wird ihm herzlich egal sein. Warum hat er denn das Projekt wieder ausgegraben? Warum hat er seine Forschungen nicht, wenn die Verantwortung so schwer auf ihm lastete, innerhalb des Systems vorangetrieben, um weitere Opfer zu vermeiden? Er arbeitet nicht gerne in großen Organisationen, schön, aber aufgrund seiner Studien sind die Leute gestorben wie die Fliegen.«
»Er konnte dem System nicht mehr trauen«, sagte sie. »Das System und die Fabrik seien, sagte er, wie die linke und die rechte Hand ein und derselben Person.«
»Was soll das heißen?«
»Dass das System technisch gesehen genau dasselbe machen würde wie die Fabrik. «
»Technisch, ja. Aber wir schützen Daten, und die Semioten stehlen welche. Die Zielsetzung ist ganz anders!«
»Wenn aber das System und die Fabrik tatsächlich von ein und derselben Person manipuliert würde? Wenn also die linke Hand stehlen würde und die rechte schützen?«
Ich teilte im Dunkeln ruhig das Wasser und ließ mir durch den Kopf gehen, was sie gesagt hatte. Es war verrückt, aber nicht unmöglich. Ich hatte für das System gearbeitet, zweifellos, und wäre auf Befragen doch nicht in der Lage gewesen, seine innere Struktur zu beschreiben. Es war einfach zu groß und gab aus Geheimhaltungsgründen interne Daten nur sehr beschränkt heraus. Wir bekamen Anweisungen von oben, danach arbeiteten wir. Wie dieses Oben aussah, davon hatten marginale Leute wie ich keine Ahnung.
»Wenn du Recht hättest, wäre das eine Goldgrube«, sagte ich. »Die könnten in fiktivem Wettbewerb die Preise nach Belieben in die Höhe treiben. Und brauchten, solange sie Balance halten, nicht zu fürchten, dass sie purzeln.«
»Großvater kam darauf, als er für das System forschte. Letztlich sei es nichts anderes als ein Privatunternehmen mit staatlicher Beteiligung. Privatunternehmen streben nach Gewinn. Für Gewinn tun sie alles. Das System hätte sich den Schutz des Datencopyrights auf die Fahne geschrieben, aber das wäre nur ein Vorwand. Großvater befürchtete, dass sich aufgrund seiner Forschungen die Lage noch verschlechtern würde. Wenn man das menschliche Gehirn nach Belieben umstrukturieren könne, hätte das für die Menschen und die Welt katastrophale Folgen. Man brauche eine Bremse, man brauche Kontrolle. Das sei weder im System noch in der Fabrik gegeben. Deshalb ist Großvater ausgestiegen. Es tat ihm leid um dich und die anderen Kalkulatoren, aber unter diesen Umständen konnte er nicht weiterforschen. Es hätte nur immer mehr Opfer gegeben.«
»Nur eine Frage noch«, sagte ich. »Hast du das alles von Anfang an gewusst?«
»Ja«, gestand sie nach kurzem Zögern.
»Warum hast du mir nichts davon gesagt? Wir hätten uns diesen idiotischen Weg hier schenken können, und Zeit hätten wir auch gespart!«
»Ich wollte, dass du Großvater triffst, dass er dir selbst alles erklärt«, sagte sie. »Mir hättest du doch sowieso nicht geglaubt, oder?«
»Kann sein«, sagte
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