Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
gefragt, nur ab und an bekämen sie von der Stadt noch kleinere Aufträge, je nach Bedarf. Auch ihr Vater ist einer dieser Arbeiter.
Über eine kurze, geländerlose Steinbrücke überqueren wir den letzten Seitenkanal; gleich jenseits davon liegt der Häuserblock, wo sie wohnt. Die Blocks sind durch leiterähnliche Durchgänge verbunden, die an umkämpfte mittelalterliche Burgen erinnern.
Es ist kurz vor Mitternacht, die meisten Fenster sind dunkel. Sie nimmt mich an der Hand und zieht mich flink durch das Gewirr von Gässchen, wie um mich den Augen eines riesigen menschenfressenden Raubvogels zu entziehen. Schließlich bleibt sie vor einem der Häuser stehen und verabschiedet sich von mir.
»Gute Nacht«, sage ich.
Dann steige ich alleine den Hang des Westhügels hinauf, um zu meiner eigenen Behausung zurückzukehren.
7 HARD-BOILED WONDERLAND
DER SCHÄDEL, LAUREN BACALL, DIE STADTBÜCHEREI
Ich nahm ein Taxi nach Hause. Draußen war es schon dunkel, die Straßen wimmelten von Menschen, die ihre Arbeit hinter sich hatten. Da es nieselte, dauerte es ziemlich lange, bis ich ein Taxi erwischte.
Ich brauche ohnehin immer recht lange, wenn ich ein Taxi nehmen will. Ich lasse nämlich, um jeder Gefahr aus dem Wege zu gehen, immer mindestens zwei freie Wagen passieren. Die Semioten unterhalten falsche Taxis, und hin und wieder hört man, dass sie damit von der Arbeit kommende Kalkulatoren auflesen und irgendwohin verbringen. Vielleicht ist das nur ein Gerücht. Weder mir noch meinen Kollegen ist jemals so etwas passiert. Aber man kann nie vorsichtig genug sein.
Normalerweise nehme ich deshalb immer die U-Bahn oder den Bus, aber diesmal war ich extrem erschöpft und schläfrig, außerdem regnete es, und beim Gedanken an die übervolle Bahn bekam ich das Grausen; also nahm ich die Mühe auf mich und fuhr mit dem Taxi. Während der Fahrt wäre ich ein paar Mal fast eingeschlafen, aber ich kämpfte dagegen an: Zu Hause kannst du so lange schlafen, wie du willst. Hier darfst du nicht einschlafen! Hier zu schlafen ist gefährlich!
Ich konzentrierte mich auf die Baseballübertragung im Autoradio. Da ich vom Profibaseball wenig verstehe, hielt ich mit der gerade angreifenden Mannschaft und verdammte die gerade in der Verteidigung befindliche. Meine Mannschaft lag eins zu drei zurück. Der Schlagmann hatte beim Stand von two out, second base einen Treffer gelandet, aber der Läufer war in der Eile auf dem Weg zur dritten Base gestolpert und hingefallen: OUT, keinen Punkt. Hat man so was schon gesehen!, sagte der Reporter, und ich teilte seine Ansicht. In der Eile stolpern kann jeder mal, aber in so einer Situation, zwischen der zweiten und dritten Base, sollte das nun wirklich nicht passieren. Anschließend warf dann der Pitcher dem ersten Schlagmann der anderen – vermutlich hatte ihn die Sache mitgenommen – einen dürftigen Straight , den der halblinks über die Absperrung jagte: Home run, vier zu eins.
So stand es noch, als das Taxi vor meiner Wohnung hielt. Ich bezahlte, nahm die Hutschachtel unter den Arm und stieg halb im Traum aus. Der Regen hatte fast ganz nachgelassen.
Mein Briefkasten war leer. Der Anrufbeantworter enthielt auch keine Nachricht. Niemand schien etwas von mir zu wollen. Umso besser. Ich wollte auch von niemandem was. Ich holte Eis aus dem Kühlschrank und machte mir in einem großen Glas einen großen Whiskey on the rocks, mit ein bisschen Soda. Dann zog ich mich aus, kroch ins Bett und nippte, an die Rückwand gelehnt, den Whiskey. Ich war drauf und dran, das Bewusstsein zu verlieren, aber auf das süße Ritual des Feierabends konnte ich unmöglich verzichten. Die kleine Weile, die der Schlaf braucht, mich, wenn ich ins Bett gekrochen bin, zu übermannen, liebe ich über alles. Ich nehme mir etwas zu trinken mit, höre Musik, lese ein Buch. Ich liebe diese Minuten, wie andere den Sonnenuntergang oder frische Luft lieben.
Ich hatte den Whiskey zur Hälfte geleert, als das Telefon klingelte. Der Apparat stand auf dem runden Tisch, etwa zwei Meter vom Bettende entfernt. Da ich, einmal im Bett, nicht vorhatte, so weit zu laufen, starrte ich das klingelnde Telefon einfach nur an. Es klingelte dreizehn-, vierzehnmal, aber das störte mich nicht. In alten Zeichentrickfilmen zittert und bebt das Telefon bei jedem Klingeln, aber in der Wirklichkeit ist das natürlich anders. Der Apparat auf dem Tisch vibrierte nicht, er klingelte nur. Ich trank Whiskey und sah ihm dabei zu.
Neben dem Apparat lagen
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