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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Klicken eine Zigarette an, verengte die Augen und blies den Rauch in die Luft. Die Kleinheit des Mannes hatte etwas Merkwürdiges. Sein Gesicht, die Arme und Hände, die Beine, alles war wohlproportioniert klein. Ein Körper, als hätte man einen normalwüchsigen Menschen kopierverkleinert. Die Benson & Hedges, die er rauchte, wirkte entsprechend lang wie ein nagelneuer Buntstift.
    Ohne ein Wort zu sagen, richtete der Knirps seinen Blick unverwandt auf die Glut seiner Zigarette. Ein Film von Jean Luc Godard wäre in diesem Falle mit Er starrte die Glut seiner Zigarette an untertitelt, aber Filme von Jean Luc Godard sind schon lange nicht mehr in – ob glücklicher- oder unglücklicherweise, sei dahingestellt. Als die Asche lang genug war, schnippte der Mann sie über dem Tisch ab. Den Aschenbecher würdigte er keines Blickes.
    »Die Tür zu demolieren war notwendig«, sagte der Knirps mit hoher, durchdringender Stimme. »Deshalb haben wir sie demoliert. Wir hätten sie natürlich auch einfach aufschließen können, aber nun ja, es musste sein. Trag es uns nicht nach.«
    »Ich habe nichts im Haus. Sie können alles durchsuchen«, sagte ich.
    »Durchsuchen?« Der Knirps tat erstaunt. »Durchsuchen?« Die Zigarette im Mund, kratzte er sich heftig die Handflächen. »Was sollten wir denn suchen?«
    »Was, weiß ich nicht, aber warum sollten Sie sonst hier sein? Und die Tür demoliert haben?«
    »Ich kann dir absolut nicht folgen«, sagte der Mann. »Du verstehst das völlig falsch. Wir wollen nichts. Außer uns mit dir unterhalten. Das ist alles. Wir suchen nichts, wir wollen nichts. Das heißt, eine Cola wäre nicht schlecht. Hast du eine Cola?«
    Ich machte den Kühlschrank auf, holte zwei Dosen Cola heraus, die ich für meinen Whiskey gekauft hatte, und stellte sie mit zwei Gläsern auf den Tisch. Dann holte ich für mich eine Dose Ebisu -Bier.
    »Der hätte vielleicht auch gerne was«, sagte ich und deutete auf den Riesen hinter mir.
    Der Knirps gab dem Riesen mit gekrümmtem Finger ein Zeichen, worauf der lautlos heranglitt und sich eine Dose Cola vom Tisch nahm. Für seine Körpermasse bewegte er sich erstaunlich behände.
    »Wenn du sie getrunken hast, mach dein Kunststück«, sagte der Knirps zu dem Riesen. »Extravorstellung«, warf er mir hin.
    Ich drehte mich um und sah zu, wie der Riese mit einem einzigen Schluck die Cola leerte. Um sicherzugehen, dass die Dose keinen Tropfen mehr enthielt, drehte er sie um, dann nahm er sie zwischen die Hände und machte sie, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, platt. Ein hohles Schlagen wie von Zeitungspapier, das der Wind aufwirbelt, und die rote Dose war nur mehr eine flache Scheibe Metall.
    »Nun, so weit kann das jeder«, sagte der Knirps. Jeder? Vielleicht. Ich jedenfalls nicht.
    Der Riese fasste die Metallscheibe mit den Fingerspitzen und riss sie säuberlich in zwei Teile; diesmal zuckte es um seinen Mund, wenn auch nur eine Spur. Ich hatte schon mal jemanden ein Telefonbuch zerreißen sehen, aber eine platte Coladose? Selbst versucht hatte ich es noch nie, aber ein Kinderspiel war es bestimmt nicht.
    »Er kann auch eine Hundert-Yen-Münze verbiegen. Das können nur wenige«, sagte der Knirps.
    Ich nickte. Zweifellos.
    »Er kann auch Ohren abreißen.«
    Ich nickte. Zweifellos.
    »Bis vor drei Jahren war er Proficatcher«, sagte der Knirps. »Und zwar ein ziemlich guter. Wenn er sich nicht das Knie verletzt hätte, wäre er heute ganz oben. Er war jung, hatte Power und war schneller, als man denkt. Aber mit dem Knie ist nichts zu machen. Beim Catchen braucht man Speed.«
    Hier sah der Mann mich an; ich nickte schnell.
    »Seither kümmere ich mich um ihn. Schließlich ist er mein Cousin.«
    »Normale Größen gibt’s in Ihrer Familie wohl nicht?«, sagte ich.
    »Bitte was?«, sagte der Knirps und starrte mich an.
    »Nichts, nichts«, sagte ich.
    Der Knirps schien einen Moment unschlüssig zu sein, wie zu verfahren sei, warf dann aber seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Ich beschloss, keine Einwände zu erheben.
    »Du musst lockerer werden, lockerer. Öffne dein Herz, sei frei. Sonst lässt sich kein offenes Gespräch führen«, sagte der Knirps. »Deine Schultern sind immer noch verspannt.«
    »Kann ich mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank holen?«
    »Aber bitte, natürlich. Das ist doch deine Wohnung, nicht wahr, dein Kühlschrank und dein Bier.«
    »Und meine Tür«, sagte ich.
    »Vergiss die Tür. Sie war kümmerlich, ein billiges Ding. Du

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