Hard News
gesehen, und da hieß es, sie hätten diesen Rumtreiber verhaftet. Keinen Killer oder Ähnliches. Also habe ich dann, als die Beamten zu mir kamen, nicht gezögert, ihnen zu sagen, was ich gesehen hatte.«
»Es heißt außerdem, die Polizei hätte Sie gefragt, ob Sie irgendwas gesehen hätten, und Sie sagten: ›Es tut mir Leid, dass ich nicht früher mit Ihnen gesprochen habe, aber ich habe es gesehen. Ich meine, ich habe die Schießerei gesehen.‹ Und der Beamte fragte: ›Haben Sie den Mann gesehen, der es getan hat?‹ Und Sie haben geantwortet: ›Selbstverständlich. Randy Boggs war es.‹ War das so in etwa das, was Sie gesagt haben?«
»Nein, nicht in etwa. Das ist genau das, was ich gesagt habe.«
Rune lächelte nur und unterdrückte den Drang, › Keine weiteren Fragen ‹hinzuzufügen.
Mit einem Mal spürte sie einen Schatten über sich, dessen Schwingungen ihr kein bisschen gefielen. Rune blickte zur Seite, um zu sehen, welcher Todesengel in der Nachrichtenredaktion über ihr schwebte, und stellte fest, dass Piper Suttons Augen sie anstarrten.
»Hi«, sagte Rune.
Sutton antwortete nicht.
Rune schaute sich im Raum um und fragte sich, wieso genau die Frau so unglaublich finster blickte.
»Raten Sie mal, was ich rausgekriegt habe«, sagte Rune und tippte auf das Band. »Ich hab mit der Zeugin gesprochen und …«
Der Zornesausbruch kam so schnell wie das Klicken eines Kameraverschlusses. Und so heftig und brutal, dass Rune nach Luft schnappte. Dann fing Piper Sutton sich wieder, obgleich ihr Blick immer noch kalt war. »Sie müssen noch ein bisschen was übers Leben lernen.« Sie schien am Ende des Satzes etwas hinunterzuschlucken, wahrscheinlich junge Dame.
»Was hab ich denn …«, setzte Rune an.
Dann fiel ihr ein – oh, Scheiße. Die Stelle in London.
»Es zwingt Sie niemand, bei einem Sender wie diesem zu arbeiten.« Jetzt war die Wut wieder da – die ganz spezielle Sutton-Wut. Sie rollte bergab, eine Lawine, die Rune unter sich zu begraben drohte. »Sie hatten die Wahl. Aber wenn Sie hier arbeiten wollen, dann benehmen Sie sich gefälligst wie eine Erwachsene, sonst …«
»Ich wollte Ihnen wegen des Londoner Jobs noch Bescheid sagen. Tut mir Leid.«
»… können Sie sich ihre Brötchen in irgendeinem beschissenen Restaurant verdienen!« Die Stimme wurde bedrohlich leise. »Ich lade Sie zum Essen ein, wo ich wegen Ihnen und Ihrem Balg vor Scham fast in den Boden versinke, und mache Ihnen ein Angebot, das noch nie jemandem in Ihrem Alter gemacht wurde!« Jetzt fing sie an zu kreischen. Rune blinzelte und wich mit schreckgeweiteten Augen zurück. »Und Sie besitzen nicht einmal den Anstand, mich einer Antwort zu würdigen?«
Köpfe wurden gereckt. Niemand im gesamten Studio wagte es hinzuschauen – und niemand hörte zu.
»Tut mir Leid.«
Aber Sutton drehte noch einige Dezibel auf. »Erweisen Sie mir auch nur die Achtung, die Sie einem Taxifahrer erweisen? Haben Sie etwa gesagt: ›Vielen Dank, aber ich habe mich entschlossen, Ihr Angebot nicht anzunehmen.‹? Haben Sie etwa gesagt: ›Piper, könnten Sie mir bitte noch ein paar Tage Zeit zum Nachdenken geben?‹? Nein, das haben Sie nicht, verflucht noch mal. Was Sie gesagt haben, war … gar nix. Das haben Sie gesagt. Und dann machen Sie feucht-fröhlich einfach so weiter.«
»Tut mir Leid.« Rune hörte sich greinen, was ihr unangenehm war. Sie räusperte sich. »Ich war so mit der Story beschäftigt. Ich wollte Ihnen sagen …«
Sutton winkte ab. »Ich hasse Entschuldigungen. Das ist ein Zeichen von Schwäche.«
Rune hätte am liebsten geweint, unterdrückte aber tapfer ihre Tränen.
Sutton sprach zur Decke. »Bei dieser Story ist alles falsch gelaufen. Ich wusste von Anfang an, dass wir einen Fehler machen. Dumm von mir. Dumm, dumm.«
Rune schluckte. Sie tippte auf die Akte. »Lassen Sie mich bitte erklären. Es ist nämlich so, dass ich mit der Zeugin geredet habe.«
Sutton lächelte kalt und schüttelte übertrieben verständnislos den Kopf. »Mit welcher Zeugin?«
»Mit der, die Randy belastet hat.«
»Ach, das erklärt Ihr Verhalten natürlich.« Suttons Sarkasmus war zu greifen.
»Nein. Ich kann beweisen, dass sie Randy Boggs gar nicht gesehen hat.«
»Wie?«
»Sie ist echt, irgendwie, nachrichtensüchtig.«
»Nachrichtensüchtig? Was zum Teufel soll das denn sein?«
»Sie schaut sich jeden Tag sämtliche Nachrichtensendungen an. Sie hat ihre Beschreibung von Boggs erst abgegeben, nachdem sie im Fernsehen
Weitere Kostenlose Bücher