Hard News
Portier zurück, als sie gerade fertig war.
»Immer noch am Studieren?«, fragte er spöttisch.
»Ich bin gerade fertig geworden.«
»Na, dann sagen Sie mir doch, für welche Firma Sie arbeiten, ja? Eine von den großen, hab ich Recht?«
»Es ist ’ne große«, sagte Rune.
»In Jersey, stimmt’s?«
»Wie haben Sie das erraten?«
»Ich bin rumgekommen. Hab ’ne Menge gesehen. Mich legen Sie nicht rein.«
»Das würd ich nicht mal versuchen.«
Rasende Schmerzen fuhren ihr durch den Rücken, sie schwitzte innen im Ohr. Ihre Stimme hatte sich von einem tiefen Sopran in einen heiseren Alt verwandelt, und sie musste die Luftröhre im Abstand von ein paar Minuten mit einem sengenden Abhusten frei machen. Rune hatte beinahe acht Stunden am Stück im Studio in ihrer Nische gesessen und ins Telefon gesprochen.
Hallo ich bin Produzentin bei Current Events der Nachrichtensendung Mr. Zuckerman Norris Williams Roth Gelinker wir arbeiten an einem Beitrag über den Mord an Lance Hopper wahrscheinlich erinnern Sie sich an den Mann der vor drei Jahren in Ihrem Hof umgebracht wurde ich hatte gehofft Sie könnten mir vielleicht helfen ich suche nämlich …
Es war spät, nach acht. Courtney hätte längst schlafen müssen. Das kleine Mädchen saß zu Runes Füßen und riss Programmpläne in die Form von Osterhäschen.
… Wie lange wohnen Sie schon in Apartment 3B, 3C, 3D, 3E, 3F …?
»Rune, Häschen.«
»Wunderschön, mein Schatz«, flüsterte sie, die Hand über der Muschel. »Ich telefoniere gerade. Mach jetzt Mama-Osterhäschen.«
»Das ist die Mama.«
»Dann mach einen Papa.«
Runes Umfrage unter den Bewohnern hatte bisher Folgendes erbracht:
Eine war Miss Breckman. Von acht Leuten stand die Nummer nicht im Telefonbuch. Zwanzig waren nicht zu Hause, als sie anrief. Dreiunddreißig hatten ihre Wohnung nach Hoppers Tod bezogen. Achtzehn waren am Abend des Mordes nicht zu Hause gewesen (oder behaupteten das). Neunzehn waren zu Hause gewesen, hatten aber nichts gesehen, was mit dem Mord zu tun hatte (oder behaupteten das).
Damit blieben zwölf auf ihrer Liste.
Eine schlechte Zahl. Wären es nur drei gewesen, hätte sie sie angerufen. Bei zwanzig hätte sie aufgegeben und wäre nach Hause schlafen gegangen. Aber zwölf …
Rune seufzte und streckte sich und hörte, wie tief drinnen irgendein Knochen ploppend protestierte.
Courtney gähnte und zerriss mit zappeligem Genuss ein Häschen in zwei Hälften.
Feierabend, dachte Rune. Ich geh heim. Dann fielen ihr Suttons heisere, bösartige Stimme und ihre wuterfüllten Augen ein, und sie griff wieder zum Hörer.
Was ein Glück war, denn als sie Mr. Frost, 6B, fragte, ob er irgendetwas über den Mord an Lance Hopper wisse, zögerte er nur kurz. »Um die Wahrheit zu sagen …«, antwortete er.
»Ich habe gesehen, wie es passiert ist.«
»Wenn Sie das hier in so ’ne Flasche stecken, dann haben Sie aber was«, sagte sie.
Rune war direkt vorbei an dem älteren Mann, der die Tür geöffnet hatte, in die Wohnung getreten und vor einer Glasvitrine stehen geblieben. Darin befand sich das detaillierte Modell eines Schiffes – weder ein voll aufgetakelter Klipper noch eine Kriegsfregatte, sondern ein moderner Frachter. Er war über einen Meter lang. »Wahnsinn«, sagte sie.
»Vielen Dank. Ich habe noch nie Buddelschiffe gebaut. Ehrlich gesagt, ich mag noch nicht mal Hobbys.«
Sie stellte sich vor.
»Bennett Frost«, sagte er. Er war etwa fünfundsiebzig Jahre alt. Er trug eine Strickjacke mit einem Mottenloch in der Schulter und eine billige graue Hose. Er verlor die Haare und hatte dunkle Flecken im Gesicht und auf dem Kopf. In Andeutung einer Verneigung beugte er sich vor, als er ihr die Hand schüttelte. Er hielt sie einen Augenblick länger fest, als es üblich war, und musterte sie eingehend. Die Berührung und das Taxieren hatten allerdings nichts Sexuelles. Er versuchte sie einzuschätzen. Als er fertig war, ließ er ihre Hand los und nickte in Richtung der Vitrine.
»Die Minnesota Princess. Komischer Name für ein Schiff, das die meiste Zeit das Mittelmeer und den Atlantik befahren hat, finden Sie nicht? Mein allererstes Schiff. Nein, das sollte ich nicht sagen. Mein allererstes einträgliches Schiff. Was, wie ich annehme, besser ist als mein erstes Schiff. Ich habe es Minnesota getauft, weil ich dort geboren wurde.«
Er trat in die weiträumige Wohnung. Rune folgte ihm. Im Durcheinander des Wohnzimmers bemerkte sie Koffer.
»Gehen Sie auf eine
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