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Titel: Hardware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Kristall schießt. Ihm seine Architektur aufzwingt, _seine_ Logik, _seine_ Struktur. Er ist darin verloren, hilflos im Strudel der Zeit gefangen.
     "Die Erde", sagt Roon. Seine kajalgeränderten Augen sind feucht. "Ich wurde am Boden des Schachts geboren, bin im Orbit gereift und wurde im Kristall wiedergeboren. Erst dann habe ich verstanden."
     Über den Tisch hinweg riecht Cowboy seinen faulen Atem. Roon streckt eine zitternde Hand aus, um das kurze blonde Haar des kleinen Mädchens zu berühren, das sein Weinglas hält. Cowboy sieht, wie sie zusammenfährt, wie ihre Augen weit werden und ihr Mund sich öffnet, um lautlos Luft zu holen, Auftakt zu einem Schrei, der nicht kommt. "Ich weiß, wie unsere Zusammenarbeit aussehen könnte", sagt Roon. "Ihr und die Erde seid die Vergangenheit. Ich und der Himmel sind die Gegenwart. Ihr seid Schmutz, ich bin Vision. Ich will die Erde neu gestalten, will ihr die angemessene Form geben. Eine Architektur für die Zukunft erschaffen."
     Angstschweiß sammelt sich unter Cowboys Kragen. Er blickt auf das Kristallglas in seiner Hand, stellt sich vor, wie mühelos er es an der Tischkante zerschlagen kann, wie das splitternde Glas singen wird, während die Scherben über das polierte Hartholz und zwischen die unbezahlbaren Teller aus Erdölplastik gleiten, rasiermesserscharfe Bruchstücke, die die Welt auf den Kopf stellen, während sie die verdunkelte, ätherische Decke spiegeln, sieht den Blick in den weit aufgerissenen, angsterfüllten Augen des Mädchens, den Pulsschlag in Roons Kehle, als Cowboy sich mit dem scharfen Kristall in der Hand über den Tisch auf ihn stürzt, schließlich das helle, arterielle Blut, das auf dem Tisch Lachen bildet, um die verstreuten Kristallwelten herum hochsteigt und jedes winzige Licht in einer steigenden scharlachroten Flut auslöscht...
     Die in seiner Phantasie vorweggenommene Bewegung vibriert in Cowboys Hand. Er packt das Glas fester, um dem Beben ein Ende zu machen. Das Wasser im Glas zittert und reflektiert die Lichter über ihnen in einer Sichel, wie den Rand einer fernen Welt.
     Er blickt zu Sarah hinauf und sieht ihr unbewegtes Gesicht, ihre sorgsam verschleierten Augen. Denkt an das mörderische Ding in ihrer Kehle und an den Wahnsinn, der daraus spricht. Der Wahnsinn der Welt, oder Sarahs Wahnsinn? Beides zugleich? Er fragt sich, was sie tun würde, wenn er losspränge. Ob die Kyberschlange gegen Roon oder zu Roons Verteidigung herausschnellen würde.
     Er stellt den Kristallbecher auf den Tisch, zieht die Hand in seinen Schoß zurück und umkrampft sie mit der anderen, damit sie zu zittern aufhört. Was würde es schon bringen? denkt er und weiß, daß er seinen ersten Kompromiß mit diesem Wahnsinn, diesem Horror geschlossen hat.
     "Was ich mache, das mache ich mit Liebe", sagt Roon. Er streichelt das Haar des kleinen Mädchens. Tränen ziehen Kajalspuren über seine bartlosen Wangen. "Ich liebe euch alle, wie ein Vater seine Kinder liebt. Ich liebe euch sehr."
     
     Die lange Röhre der suborbitalen Florida-Venezuela-Freizonen-Fähre ist voll von Orbital-Managern, die umsonst fliegen, Jocks in ihren mit Abzeichen geschmückten Jacken, die von einem Freihafen zum nächsten ziehen, und einer Mixtur des Besetzten Amerika aus Berufen, die genug Geld für Luftreisen abwerfen, Ganoven und Spielern in cryogen-cooler Kleidung, aufgesetzt lässigen Botenjungs, an deren Handgelenken scharfgemachte Aktentaschen mit Handschellen befestigt sind, sowie Offiziellen der Kollaborationsregierungen, die in schweißglänzender Isolation zwischen den gleichgültigen Blockmanagern und den Spielern mit ihrem Raubtierlächeln sitzen.
     Cowboy sieht zu dem gekrümmten Horizont vor dem schwarzen Himmel hinab. Der blaue Keramikrand der Erde wird vom durchsichtigen Dunstschleier der Atmosphäre weichgezeichnet. Unter ihm sind Wolken in absurd ordentlichen Reihen über einer Warmfront eingekeilt, die zu den Kleinen Antillen vorrückt. Das staubige Braun und Grün der Inseln thront am äußersten Rand des türkis schimmernden Meeres. Als die Fähre allmählich zur Erde zu fallen beginnt, fühlt er, wie sein Körper sich gegen die Gurte wehrt und den Aufstieg fortzusetzen versucht, aber der Schacht hat die Fähre wieder in seinen Klauen, und sein Körper beginnt ebenfalls zu fallen. Er dreht sich zu Sarah im Sitz neben ihm und sieht das Verlangen in ihren dunklen Augen, als sie aus dem Bullauge schaut, ein Begehren, das seiner eigenen Sehnsucht nach der

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