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zurückzugehen. Sie bewegt sich mit kindlicher Leichtigkeit, vertraute Gerüche und Erinnerungen steigen in ihr hoch, während sie rückwärts durch den Schutt gleitet. Dann ein Satz zur Seite, in ein abgedunkeltes Apartment, und warten, sprungbereit. Ein zischender Treibsatz in jedes Nasenloch, um ihre aufgerüsteten Nerven auszulösen, um die Neurotransmitter springen zu lassen, während sie durch das neurale Kommunikationsnetz wuseln. Sie lauscht. Schmeckt den Schweiß auf ihrer Oberlippe. Herzschlag und Atmung werden automatisch hochgeschaltet, bereit, dem Gewebe Blut und Sauerstoff zuzuführen, wenn es soweit ist...
Wie oft hatte sie das als kleines Mädchen gemacht? Sich in einem dunklen Zimmer versteckt, während draußen der betrunkene Hurrikan tobte, der ihr Vater war, seine Drohungen herausschrie und an die Türen drosch - während Dauds Arme um sie geschlungen waren und ihr der Geruch ihrer gemeinsamen Angst in die Nase stieg? Aber jetzt werden diese Kindheitserinnerungen von Bildern noch dunklerer Gewalt überlagert, Bildern von kleinen Botenjungs, die blutend in Gassen neben ihren Taschen mit den Waren liegen, von Fliehenden, die im grellen Natriumdampflicht der Polizeischeinwerfer gefangen sind, während ihre Füße auf dem feuchten Beton verzweifelt Halt suchen, von Wiesel auf seinen roten kybernetischen Botengängen in die Dunkelheit eines entsetzten Herzens. Aber nie wieder hat es so etwas gegeben wie diese Furcht damals, die schlaflosen Nächte mit ihrem Vater, den Horror, als die Schlafzimmertür schließlich nachgab, als die Angeln sich lösten und mondlichtbleiche Holzsplitter aufwirbelten, während die Silhouette ihres Vaters im gelben Licht aus dem Flur stand, die zerbrochene Flasche in der Hand...
Sie kommen. Sarah hört leise Schritte auf dem verrottenden Teppich. Sie zwinkert sich den Schweiß aus den Augen, macht den Mund weit auf und versucht tief und lautlos zu atmen. Wiesel regt sich in ihrer Kehle und verschluckt ihre Zunge. Es ist möglich, daß diese beiden tatsächlich Schußwaffen haben, und das bedeutet, daß sie ihre Stärke in den kurzen Sekunden, die sie sichtbar sind, rasch abschätzen und ihre Taktik vielleicht ändern muß. Die Droge läßt ihre Nerven hüpfen und drängt sie dazu, sich zu bewegen. Undeutliche Phantome tanzen an der Peripherie ihres Sichtfeldes. Sie zwingt sich, stillzustehen.
Der erste schleicht vorbei, ganz auf die Fußabdrücke konzentriert, eine Silhouette für nur eine Sekunde, und Sarah sieht einen jungen Mann mit unsteten Augen und blonden, zu einer Pompadourfrisur nach vorn gekämmten Haaren, einer ärmellosen Lederjacke, Tätowierungen auf den drahtigen Oberarmen und einem Knüppel - nein, einem Baseballschläger -, der locker in der linken Hand baumelt. Und dann taucht der nächste im Türrahmen auf, und Sarah bewegt sich.
Sie läßt Wiesel auf seine Augen zuschnellen, ein kompromißloser Angriff wie ein Blitzschlag, aber er hat die Bewegung aus dem Augenwinkel gesehen und schafft es, den Kopf herumzureißen, und Wiesel streift ihn am Wangenknochen und hinterläßt eine rote Furche... Aber der Angriff hat ihn dazu veranlaßt, die Hände zur Deckung hochzureißen, und er ist weit offen für den Tritt in die Magengrube, den sie ihm mit gestrecktem Bein und der geballten Kraft ihres vorschnellenden Körpers verpaßt. Er taumelt und schlegelt mit den Armen. Der eisige Glanz eines Messers wirft spiegelnde Lichtsplitter über den Teppich, und _es_ verschwindet in der Dunkelheit. Sarah saugt Wiesel ein, holt würgend Luft und wirbelt dabei schon zu dem Burschen mit dem Baseballschläger herum. Die Jungen sind beide kleiner als sie, bemerkt sie jetzt; sie wird jeden erdenklichen Vorteil in der Reichweite ausnutzen.
Ein Blick über die Schulter und ein Tritt nach hinten in die Magengrube des Messerjungen, der sie nach vorn und ihn zurückschleudert, wobei er auf dem Hintern landet und keuchend die Luft ausstößt, während Sarah wie ein Speer auf ihr Ziel zufliegt; aber Pompadour ist zu schnell. Der Schläger saust zischend in einem Bogen herum, ehe der Junge auch nur sieht, was auf ihn zukommt, und Sarah schnellt vor und weiß, daß er sie treffen wird. Sie versucht den Hieb mit ihrem Arm abzupuffern, bekommt ihn jedoch fast mit voller Kraft in die Seite. Ihre Panzerjacke verteilt den Stoß, aber nicht genug. Der Atem wird ihr jäh aus den Lungen gepreßt, und sie knallt gegen die Wand; aber als sie zurückprallt, wirbelt sie schon in die
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