Hardware
hochgewölbt, und darunter kommen die Schläuche hervor, die das Gewebe und die Knochen in der Gelschicht am Leben erhalten.
Sarah beugt sich über das Bett, um ihn zu küssen. Sie zieht eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche, zündet ihm eine an und steckt sie ihm in den Mund. Sein erhaltenes Auge ist hellwach, als es ihren Bewegungen folgt: Er hat eine bemerkenswerte Widerstandskraft gegen die Endorphindosen entwickelt, die sie ihm gegeben haben.
Daud schluckt. An seiner Kehle ist ein Plastikknopf, wo der Luftröhrenschnitt war, durch den die Maschine ihn wochenlang mit Luft versorgt hat. Rauh zwängt sich seine Stimme durch die beschädigte Luftröhre nach oben; der Zigarettenrauch macht sie noch rauher. "Wo ist Jackstraw?" fragt er. "Er hat mir versprochen, er kommt."
"Ich hab' ihn nicht gesehen." Sie will Daud nicht erzählen, daß Jackstraw wohl nicht wiederkommen wird, daß er wahrscheinlich schon längst einen anderen Jungen gefunden hat, der Dauds Platz einnimmt. Seit Wochen ist Jackstraw nur eine Stimme am Telefon, die Dauds Anrufe ohne Begeisterung entgegennimmt, die ihn mit Hinweisen auf Geschäfte, plötzliche Gäste und Kundenwünsche das Wort abschneidet und auflegt. Jeder, der nicht so isoliert wäre wie Daud, nicht so verzweifelt, hätte schon längst begriffen. Wenn Jackstraw vermutet, daß Daud Geld für ihn verdienen kann, wird er ihn besuchen kommen.
"In den nächsten Tagen können wir anfangen, dir Beine machen zu lassen", sagt Sarah. "Eins nach dem anderen, sobald du stark genug bist. Ich hab' eben einen Job gekriegt." Sie versucht zu lächeln. "Hättest du lieber das rechte zuerst oder das linke?"
Er schüttelt den Kopf. "Ist mir egal."
"Ich werde ein paar Tage weg sein. Ab Samstag."
"Bei dem Job." Er langt mit seinem rosaroten neuen Arm nach oben und schnippt Asche von der Zigarette.
"Ja." Sarah spürt ein Fieber hinter Dauds Augen, eine wachsende, verzweifelte Intensität. Er langt mit seiner gesunden Hand zu einem der Handgriffe an der Gewichtsmaschine hinauf und umklammert ihn, dann stößt er ihn enttäuscht weg. Während er spricht, hält er die Zigarette mit zusammengebissenen Zähnen fest und kaut an jedem Wort.
"Jackstraw hat gesagt, er würde mir ein paar Hormonblocker besorgen. Kannst du mir welche bringen? Vielleicht morgen, bevor du abhaust?"
Sie sieht ihn an, überrascht darüber, wie verzweifelt er ist, wie realitätsfern. Sie macht einen Schritt nach vorn, setzt sich auf den Bettrand und greift nach seiner Hand. Er zieht sie weg.
"_Wirst du mir welche bringen_?" schreit er.
Sie bemüht sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, und spürt den Schmerz in ihrer Kehle. "Daud", sagt sie, "du kannst deine Hormone nicht unterdrücken, nicht wenn du wieder Muskelgewebe aufzubauen versuchst."
"Du verstehst nicht!" Voller Verzweiflung jetzt. Er schlägt mit der Faust auf die Matratze, springt bei jedem Schlag ein Stückchen hoch. Ein rotes Warnlicht beginnt an einem der Apparate zu blinken, synchron mit einem leisen mechanischen Piepen. Der alte Mann im Bett nebenan bewegt sich unruhig wegen der Unterbrechung bei seiner Komödie.
"Ich kriege einen _Bart_! Sie _rasieren_ mich jetzt jeden Morgen! Ich werde _älter_!" Er dreht den Kopf weg, holt keuchend Luft und hustet durch den Schleim, der seine vernarbte Luftröhre überzieht. "Die wollen mich nur jung, meine Leute", sagt er. "Jackstraw wird mich nur haben wollen, wenn ich jung bleibe."
"Daud." Er hustet zu schwer, um zu sprechen. Sie nimmt ihm die Zigarette und drückt sie aus, dann greift sie mit beiden Händen nach seiner Hand. Er läßt jetzt zu, daß sie sie nimmt, an ihre Brust drückt und die Haare auf dem Handrücken mit den Knöcheln streichelt. Das warnende Piepen verstummt, das Licht wird wieder grün. "Du wirst wieder stark werden", sagt sie, "und du wirst jung sein. Es wird dir gut gehen. Es gibt nichts, wovor du Angst haben mußt." Eine Zauberformel der Hoffnung, die sie jeden Tag wiederholen muß, im Vertrauen darauf, daß sie wahr wird oder daß Daud zumindest glaubt, daß sie wahr wird.
"Diejenigen, die Krüppel wollen. Mit denen will ich nicht zusammen sein." Ein gehauchtes Flüstern, ein letzter Protest durch die wunde Kehle. Sarah küßt seine Hand, streichelt seinen Arm und sagt nichts. Sagt überhaupt nichts; ihre Sprache besteht nur aus stummem Streicheln und tröstenden Berührungen, bis es Zeit zum Gehen ist.
Vom Wartezimmer aus ruft sie ein Taxi, erklärt,
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