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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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durfte.
    »Du hast im Kampf damit geknallt.« »Nein, es knallte von selbst«, berichtete Harka ehrlich.
    »Es ist ein Zauber.«
    »Vielleicht, Vater. Aber vielleicht wissen wir diese Waffe nur nicht zu handhaben. Wir müssen einen Krieger finden, der das versteht, und wenn wir hundert Tage umherreiten, um einem solchen erfahrenen Mann zu begegnen. Tatanka-yotanka, der große Geheimnismann der Dakota, kennt sicher auch das Geheimnis solcher Waffen.«
    »Es kann sein. Ich möchte dich aber jetzt bitten, über etwas anderes nachzudenken. Es ist schon spät in der Nacht, und doch solltest du noch darüber nachdenken. Oder bist du zu müde?«
    »Ich bin nicht zu müde.« Harka riß sich zusammen.
    »Wenn ein Knabe so alt ist wie du, Harka Wolfstöter, ist es Sitte, daß er dem Großen Geheimnis ein Opfer bringt.«
    »Ja, Vater.« Harka kannte diesen Brauch, von dem sein Vater sprach, sehr gut. Alle älteren Gefährten des Knaben hatten eines Tages schon ein solches Opfer gebracht. Harka hatte miterlebt, wie Tschetan, schon früh ein harter und verwegener Kerl, mit elf Jahren seinen Lieblingshund opferte. Er hatte es getan, ohne mit der Wimper zu zucken. Harka wußte aber, daß Tschetan dieses Opfer schwergefallen war, denn der Bursche hatte den Hund sehr gern gehabt. Als das Tier aber tot war und in einer Höhle der Schwarzen Hügel lag und wie ein Wakan geehrt wurde, hatte Tschetan seinen Schmerz nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich überwunden. Alle waren stolz auf Tschetan, und Tschetan war stolz auf sich selbst gewesen. Harka hatte von sich immer geglaubt, daß er ein solches Opfer ebenso gefaßt und schließlich auch innerlich so bereitwillig bringen werde wie sein älterer Freund. Nie hatte Harka in dieser Beziehung an sich selbst gezweifelt.
    Aber als er nun die Frage des Vaters mit »Ja« beantwortete, erschrak er innerlich. Sein Körper war übermüdet, obgleich er das nicht eingestanden hatte, und er war auch im Fühlen und Denken abgespannt durch die Anstrengung und Erregung des Kampfes, durch die Trauer um die Mutter. Er war innerlich hin- und hergezerrt von Schmerz und von Siegesfreude. Es war schon spät und dunkel; und er hätte am liebsten geschlafen wie die jüngeren Geschwister und Ruhe gehabt. Doch er ahnte, daß ihm der Vater jetzt, gerade jetzt, noch Schweres zumuten werde, und er begriff noch nicht, warum.
    »Harka Steinhart«, sprach Mattotaupa weiter, »jeder Knabe opfert etwas, das ihm lieb ist, und wenn er es opfert, so ist es eine Tat. Du hast sehr gut gekämpft und uns Männern dadurch geholfen, du wirst auch zu opfern wissen, denke ich.«
    »Ja, Vater.«
    Harka sprach das »Ja« wieder klar und deutlich, aber im Innern quälte er sich, und der Kopf begann ihm zu schwirren.
    »Was ist dir am liebsten, Harka?«
    »Mein Pferd, Vater.«
    »Das Pferd brauchen wir jetzt, wir können es nicht entbehren. Was ist dir noch sehr teuer, Harka Steinhart?«
    Harka überlegte diesmal gründlich, und er gewöhnte sich an den Gedanken, daß es ihm durchaus nicht erspart bleiben werde, gerade in dieser Nacht noch etwas zu opfern. »Meine Beute ist mir lieb«, sagte er endlich zögernd. »Die Waffe, die meine Mutter getötet hat und mit der ich Panis töten will, wenn ich sie zu handhaben gelernt habe.«
    »Es wäre gut, die Zauberwaffe dem Großen Geheimnis zu übergeben.«
    Harka schluckte, und es dauerte lange, bis er fragte: »Auf welche Weise, Vater?«
    »Indem du sie dem Zauberzelt übergibst.«
    »Verlangst du das von mir, Vater?«
    »Ich verlange nichts. Ich frage nur: Bist du imstande, dich selbst zu überwinden?« In Harka schoß der Stolz auf. »Ich bin es.«
    Er erhob sich mit einer unverkennbaren Art von Trotz und Erbitterung. Es konnte auch so wirken, als fürchte er, seinen eigenen Entschuß noch zu bereuen. Er nahm die Flinte und verließ sofort das Tipi. Der Vater hielt ihn nicht zurück.
    Als der Knabe ins Freie trat, sah er die Frauen noch bei dem Tanz um die aufgehängten frischen Skalpe. Es waren nicht ganze Kopfhäute, sondern jeweils nur die Haarsträhnen am Wirbel und das zugehörige kleine Hautstück, die aufgehängt waren und sich im Winde bewegten. Zwei Skalpe befanden sich darunter, die die Beute Mattotaupas waren: der Skalp des Panihäuptlings und der seines stärksten Kriegers.
    Harka ging an den Tanzenden vorüber zum Zauberzelt hin. Das Zelt war geschlossen, aber er trat ohne Zögern ein.
    Auch im Innern dieses Tipis war es dunkel. Mit Harkas Eintreten war ein Windstoß

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