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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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waren, froren sie leichter als sonst. Die Jungen gingen daher auch bald in die Zelte zurück.
    Harka lief noch allein umher. Er umkreiste das Zeltlager und studierte die Fährten. Dabei traf er mit Schonka zusammen, der auf Kundschaft gewesen war. Harka schaute den Burschen fragend an. Der Junge vermutete, daß irgendeiner der Späher unbemerkt zurückgekommen war und dem Häuptling eine Meldung gemacht hatte. Vielleicht war Schonka dieser Melder?
    Der Bursche spürte den Blick des Jungen.
    »Was glotzt du mich an?« fragte er.
    »Ich habe keinen Grund«, antwortete Harka kühl und senkte die Lider.
    »Es ist gut, wenn du aufhörst zu glotzen. Du könntest sonst Dinge sehen, die dir nicht gefallen.«
    »Ich pflege die Augen aufzumachen, um zu sehen, und es ist nicht wichtig, ob mir das, was ich sehe, gefällt oder nicht. Wichtig ist, daß ich nicht schlafend umherlaufe.«
    »Für kleine Hunde ist es gut, frühzeitig schlafen zu gehen«, spottete Schonka.
    »Ich bin ein Junger Hund, aber nicht klein.«
    »Du kannst schlafen gehen, wenn du willst, aber du wirst früh aufstehen müssen.«
    »Das pflegen die Knaben der Dakota immer zu tun.«
    »Wenn du verschläfst, kann ich dich künftig wecken.«
    »Was redest du immerzu vom Schlafen, Schonka? Es ist Mittagszeit.«
    »Du hast selbst davon angefangen.«
    Harka war bei dem Gespräch nicht wohl. Er hatte das Gefühl, daß Schonka mehr wußte, als er sagte, und daß das, was Schonka wußte, nichts Gutes war. Schonka spielte mit Harkas Wißbegier, und Harka wurde sich klar, daß er sich eine Blöße gegeben hatte, als er diese Wißbegier durch seinen Blick verriet.
    »Nun gut, ich habe angefangen, aber mußt du mir alles nachreden?« sagte er wegwerfend.
    Schonka pustete Luft durch die Lippen, ging weiter und ließ Harka einfach stehen.
    Der Junge fühlte sich auf einmal allein und ihm war schlecht wie einem Verwundeten, der Blut verloren hat. Er wußte selbst nicht, wie das zugehen konnte, aber es war so. Er verließ den Platz, an dem er mit Schonka gesprochen hatte, und strebte zu dem väterlichen Zelt. Es brauchte ihn niemand zu sehen, denn er glaubte, eine Niederlage erlitten zu haben, obgleich ihm das letzte Wort geblieben war. Leise schlüpfte er durch den Zeltschlitz ins Innere. Da er keine Lust verspürte, etwas zu tun, legte er sich auf eine Büffeldecke und schaute zu der Öffnung an der Zeltspitze, die als Rauchabzug diente. Außer ihm war niemand im Zelt.
    Es dauerte aber nicht lange, da kam das Mädchen Uinonah herein. Sie setzte sich neben den älteren Bruder, löste den einen ihrer langen Zöpfe auf und flocht ihn neu. Harka schaute ihr zu.
    Sie spürte den freundlichen Blick, sah auch ihrerseits den Bruder nachdenklich an und sagte endlich: »Schonka und seine Mutter werden in unser Zelt ziehen. Denn er hat keinen Vater mehr, und wir haben keine Mutter mehr, und für Untschida allein ist die Arbeit zu viel – solange ich noch nicht groß bin.«
    »So.« Harka strich eine Falte in der Lederjacke glatt. »Wer hat dir das gesagt?«
    »Untschida. Ihr hat es der Vater gesagt. Du solltest es auch hören, aber du warst nicht da.«
    »Ich war nicht da?«
    »Nein, du warst nicht da.«
    Die Kinder verstummten. Jedes versuchte sich vorzustellen, was das andere nun denken und fühlen würde.
    Es war im Grunde alles so natürlich und selbstverständlich. Alle Zeltbewohner gehörten in ihrem harten Leben auf Gedeih und Verderb zusammen, und einer half dem anderen. Persönliche Sympathien und Abneigungen waren da, aber für das Handeln spielten sie nur eine geringe Rolle. Das Tun und Lassen wurde vom Herkommen und von der täglichen Notwendigkeit bestimmt.
    Harka bemerkte daher nichts weiter zu dem, was er eben erfahren hatte. Scheschoka, die Witwe des Weißen Büffel, der der Friedenshäuptling der Bärenbande gewesen war, zog mit ihrem Sohn in das Zelt Mattotaupas, des Kriegshäuptlings, der seine Frau durch das Mazzawaken des Pani verloren hatte. Es war ganz natürlich und selbstverständlich. Niemand konnte sich darüber wundern; jeder Krieger und jede Frau würden diesen Entschluß billigen.
    Scheschoka war nicht besonders klug und auch nicht schön, wie es Harkas Mutter gewesen war. Aber sie war eine fleißige und bescheidene Frau. Sie würde Mattotaupa und Untschida jederzeit gehorchen.
    Als Harka mit seinen Gedanken so weit gekommen war, sagte er: »Wir haben Untschida.«
    Die Schwester atmete tief auf. »Das ist wahr. Wir haben Untschida.«
    Harka dachte weiter.

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