Harka der Sohn des Haeuptlings
Der Vater und Häuptling übernahm nun die Aufgabe, Schonka zu einem tüchtigen Krieger der Bärenbande zu erziehen. Schonka war von nun an wie der ältere Bruder Harkas im Zelt. Aber auch Brüder im Zelt erprobten untereinander ihren Mut, ihre Selbstbeherrschung, ihre Kraft und Geschicklichkeit. Harka war entschlossen, alle seine Gefühle tief in seiner Brust zu verschließen und Schonka nur zu zeigen, daß er, Harka, zwar ein Junger Hund, aber keineswegs klein war. Er sah sich im Zelt um und überlegte sich, wo er künftig seinen Schlafplatz aufschlagen wollte. Nahe des Eingangs sollte es sein. Es war immer gut, möglichst unbemerkt und ungeschoren aus- und eingehen zu können.
Harka bemerkte erst jetzt, daß Uinonah lautlos vor sich hin weinte.
»Wo ist denn Harpstennah?« fragte er, um das Mädchen, das doch kein kleines Mädchen mehr war, zum Sprechen zu bringen und dadurch vom Weinen abzuhalten.
Uinonah schluckte. »Er ist hinübergegangen, um Scheschoka beim Packen zu helfen.«
»So, er ist hinübergegangen.« Harka sagte es vor sich hin und blieb sitzen. Er würde nicht hinübergehen. Uinonah war auch nicht hinübergegangen. Was hatte sich Harpstennah in Weibersachen zu mischen? Viel wichtiger war es, zum Beispiel zu erfahren, warum das Zeltdorf hier am Fluß mitten am Tag haltgemacht hatte. Der Häuptling mußte durch die Späher irgendeine neue Nachricht erhalten haben, über die noch keiner sprach. Anders ließ sich sein Entschluß nicht erklären. Harka lief wieder aus dem Zelt hinaus. Er beobachtete, wie das Tipi des Weißen Büffel von Scheschoka abgeschlagen wurde. Die Habseligkeiten, die Waffen, Trophäen, Decken, Schüsseln, lagen schon alle geordnet und gepackt bereit, um weggebracht zu werden. Harka wollte sich nicht merken lassen, daß er dem überhaupt einen Augenblick Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er überlegte, wo er jetzt Tschetan am ehesten treffen könnte, und schlenderte zur Pferdeherde. Tschetans Brauner war während des Kampfes mit den Pani leicht verwundet worden, ebenso wie sein Herr, und so wie Harka Tschetan kannte, würde er sich jetzt, während der Rast am Flußufer, um das Pferd kümmern.
Der Junge hatte richtig vermutet. Er traf den größeren Freund bei dem braunen Mustang an. Harka tat so, als ob er nach seinem eigenen Pferd hatte sehen wollen, und gesellte sich dann wie zufällig zu Tschetan. Bei Tschetan brauchte er nicht mit langen Umschweifen zu fragen, um dann doch nichts zu erfahren.
Tschetan konnte sich leicht vorstellen, daß Harka wissen wollte, warum die Krieger mitten am Tag haltgemacht hatten. Der große Bursche setzte sich mit untergeschlagenen Beinen ins Gras nach Art eines Kriegers, der die Beratungspfeife anzünden will, und Harka tat sofort desgleichen.
»Du bist der Anführer der Jungen Hunde, Harka Steinhart Wolfstöter«, begann Tschetan, »und du sollst aus meinem Mund hören, was geschehen ist und warum unsere Zelte nicht weiterziehen. Der Grund ist der: Unsere Späher haben wieder eine Fährte gefunden!« Tschetan machte eine Pause, um die Spannung, die aus Harkas Miene sprach, noch zu erhöhen. »Diese Fährte«, fuhr er dann fort, »war die Fährte eines Verwundeten, der hinkte, und manchmal zeigten sich Blutspuren. Die Eindrücke waren ziemlich tief, als ob der Verwundete ein Gewicht getragen habe, Gepäck oder einen Menschen. Einmal hat er bei einer kurzen Rast etwas liegengelassen, vielleicht hat er die Sache verloren, denn sie war klein, und es konnte ihm keine Mühe machen, sie mitzunehmen. Es war eine ganz kleine Tasche mit Muscheln verziert. Eine solche Art Muscheln haben unsere Männer noch nie gesehen. Es sind keine Wampum-Muscheln. Die Pani, sagte Hawandschita, besitzen eine solche Art Muscheln nicht, und obgleich Muscheln durch die Hände aller Stämme der roten Männer und sehr weite Wege gehen, hat auch der alte Hawandschita noch niemals eine solche Art von Muscheln gesehen.«
»Also waren sie der Besitz eines weißen Mannes?«
»Eines Mannes, der barfuß lief.«
»Barfuß? Weder weiße noch rote Männer pflegen barfuß zu laufen. Unsere Männer sind dem Fremden gefolgt?«
»Ja, aber mit großer Vorsicht, denn obgleich er barfuß läuft, kann er ein Zauberer sein und ein Mazzawaken besitzen.«
»Haben wir ihn gefunden?«
»Noch nicht. Aber da er nur langsam vorankommt, werden unsere Kundschafter ihn jetzt bald erreicht haben. Bis zum Abend wissen wir auch hier im Zeltdorf, wer er ist und woher diese Muscheln kommen.«
»Und
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