Harlekins Mond
– er wollte eigentlich kalt bleiben, bis dieses Projekt abgeschlossen ist.«
Rachel konnte ihren Blick nur schwer von der Frau an Gabriels Seite lösen. Gabriels Freundin. Ein dicker blonder Zopf hing ihr bis zu den Hüften hinunter; er harmonierte mit dem hellen Gelb und Weiß ihres hautengen Anzugs. Sie war sehr schön, und beim Anblick ihrer Hand auf Gabriels Arm fühlte Rachel einen Stich – Eifersucht? »Wieso sind so viele Leute wach?«, fragte sie Ali leise.
»Als das Feuer ausbrach, wurde der gesamte Hohe Rat geweckt. Es gibt dazu Direktiven – bestimmte Notsituationen machen eine vollzählige Anwesenheit des Hohen Rates erforderlich. Meine Anwesenheit wurde ebenfalls für wünschenswert erachtet, weil ich so viel Zeit auf Selene verbracht habe.
Das Feuer hätte alles zerstören können. Du bist eine richtige Heldin.«
»Der Held ist Gabriel.«
»Daran, dass Gabriel ein Held ist, haben wir uns inzwischen gewöhnt.« Ali lachte. »Das gehört bei ihm zum Job.«
Rachel lächelte. Sie schaute sich nach Treesa um, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Sie hörte Kyu rufen: »Rachel – hier drüben!« Sie sah Kyu, die in Gabriels Richtung deutete.
Kyu erreichte Gabriel als Erste. Sie sah zu, wie sich Rachel, gefolgt von Ali, ihren Weg durch die Menge suchte. Der Captain trat zu Kyu; hinter ihm näherte sich Liren. Rachel spürte Alis Hand auf ihrem Rücken, die sie auf die Gruppe zuschob. Während der letzten paar Schritte flatterten ihr vor Nervosität die Nerven.
»Du hast deine Sache gut gemacht«, sagte Kyu und wiederholte, was sie Rachel bereits persönlich mitgeteilt hatte. »Ich bin stolz auf dich. Das sind wir alle. Du warst uns bei dem Feuer eine außerordentliche Hilfe.« Der Blick ihrer Augen und ihr Lächeln waren warm, und Rachel begann sich zu entspannen.
Der Captain lächelte ihr ebenfalls zu. »Freut mich, dass du zurückgekommen bist. Das war gute Arbeit dort unten!« Er klang aufrichtig.
Der neue Mann, Rieh Roberts, schüttelte ihr kurz die Hand. Obwohl er lächelte, fühlte sich Rachel unter seinem Blick wie ein Präparat unter einem Mikroskop.
Liren schenkte ihr keine Beachtung.
Kyu blickte hinüber zu Liren und sagte: »Sie könnten ruhig ein bisschen höflicher sein …!«
»Sie hat hier nichts zu suchen!« Liren funkelte Kyu an.
Kyu sah zu Rachel auf. »Wir hätten allerdings Beth Rachel ohne dich versorgen können, und du wirst auf Selene gebraucht. Das ist alles, was Liren damit sagen wollte«, erklärte Kyu.
»Nehmen Sie sich nicht heraus, für mich zu sprechen!«, fuhr Liren sie an und wandte sich direkt an Rachel. »Bei dem Feuer hast du löblichen Einsatz gezeigt, aber du hättest auf Selene bleiben sollen, wo du gebraucht wirst. Diesmal haben wir dich nicht hergebeten.«
Rachel entgegnete widerspenstig: »Beth hatte Angst. Sie hat mich gebraucht. Also bin ich mitgekommen.« Sie verteidigte ihren Standpunkt, schaute Liren an und hoffte, dass man ihr Ärger und Furcht nicht anmerkte.
»Entscheidungen dieser Art stehen dir nicht zu!« Liren wandte sich demonstrativ ab und sah Rachel nicht länger an.
»Gabriel hat gesagt, es sei in Ordnung«, sagte Rachel. Die Gespräche um sie herum verstummten, und Gabriel verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere. Rachel war unbehaglich zumute; sie wünschte, sie wäre wieder in Aldrin. »Steht meine Kabine vom letzten Mal noch zur Verfügung?«
»Warst du zum Einchecken in der Medizinischen Abteilung?«, fragte Liren.
»Ich bin da gewesen.« Es war eine Notlüge – sie hatte sich lediglich dort aufgehalten, um Beth beim Einschlafen beizustehen. »Mir geht es gut.« Ihr zitterten die Hände, und sie verschränkte sie, damit es niemand sehen konnte. Sich dem Rat entgegenzustellen wurde ihr allmählich zur Gewohnheit, doch es ängstigte sie jedes Mal aufs Neue.
Der Captain schritt ein. »Deine alte Kabine ist nach wie vor frei. Ich werde dich hinunterbringen.«
Rachel war erstaunt über das Angebot. Der Captain hatte ihr nie viel Aufmerksamkeit gezollt. Sie folgte ihm aus der Cafeteria, vorbei an dem Stand mit den Schwingen und den Spiralweg hinauf bis zum Fuß von Yggdrasil (Das Gefühl des Fallens! Daran würde sie sich nie gewöhnen …) und in den Fahrstuhl.
Als sie den Korridor erreichten, auf dem Rachels Kabine lag, sagte er: »Liren meint es nicht böse. Sie versucht nur, uns zu beschützen. Du würdest dir und uns den besten Dienst erweisen, wenn du dich vorsichtig und unauffällig verhältst, bis du auf
Weitere Kostenlose Bücher