Harlekins Mond
Selene zurückkehrst.«
Rachel sah, dass sich ihr eine Öffnung bot, und trotz ihrer Müdigkeit und Verwirrung nahm sie ihre Chance wahr. »Liren braucht keine Angst vor uns zu haben. Wieso traut sie uns nicht?« Die Worte strömten nun rasch aus ihr heraus; sie beeilte sich weiterzusprechen, bevor sie die Nerven verlor. »Wir Mondkinder sind klug. Wir sind imstande zu lernen – tatsächlich lernen wir bereits. Und Sie brauchen unsere Hilfe. Schließlich sind Sie nicht willens, genügend Leute auf Selene herunterzuschicken, um all die Arbeit zu erledigen, die dort anfällt. Nach dem Feuer gibt es so viel zu tun! Wir sind in der Lage zu helfen, und wir können Ihnen besser helfen, wenn Sie uns mehr Entscheidungen überlassen. Wir können nicht effektiv arbeiten, wenn Sie uns nie für uns selbst denken lassen.«
»Natürlich könnt ihr das nicht«, sagte der Captain.
»Warum versuchen Sie es dann?«
»Tun wir das? Ist es so schlimm?«
»Es ist ein Albtraum. Der Rat behandelt uns wie Idioten, und die Erdgeborenen verhalten sich uns gegenüber kalt und distanziert. Die lassen uns da unten schuften, bis wir tot umfallen. Kommen Sie doch herunter und sehen Sie es sich selbst an.«
»Ich kann nicht auf Selene gehen.« Er schritt einige Minuten lang vor ihr her, einen Gang hinunter, an dessen Wänden helle, bewegte Bilder schimmerten, in denen sie inzwischen Szenen von der Erde erkannte. In einigen davon sprang eine große schwarzweiße Kreatur senkrecht aus dem Wasser hoch und landete mit einem so realistischen Aufspritzen, dass sich Rachel unwillkürlich duckte, um nicht nass zu werden; dann musste sie über sich selbst lachen.
»Es gibt einige … Probleme. Aber ihr müsst uns vertrauen. Viele unserer Entscheidungen sind durch Umstände erzwungen, die ihr wahrscheinlich nicht verstehen könnt.«
»Vertrauen Sie denn uns?«, fragte Rachel.
»Die meisten von euch wissen nicht besonders viel«, erwiderte er. Er beobachtete sie aufmerksam.
»Auch das wiederum aufgrund Ihrer Entscheidung. Vertrauen Sie mir?«
»Ich vertraue darauf, dass du tust, was du für das Richtige hältst.« Sie bogen um eine Ecke, und ihre Unterhaltung geriet einen Moment lang ins Stocken. Rachel dachte über seine Antwort nach. Soweit sie das beurteilen konnte, bedeutete sie überhaupt nichts. Das wollte sie ihm gerade sagen, als er fortfuhr. »Du musst verstehen, dass Lirens Aufgabe nicht darin besteht, irgendjemandem zu vertrauen. Sie besteht darin, uns zu beschützen. Und für mich gilt das Gleiche.«
»Gabriel verhält sich, als vertraue er uns, oder zumindest einigen von uns.«
Sie waren an der Tür von Rachels Kabine angelangt. Die Tür reagierte immer noch auf ihre Stimme. Rachel blickte über die Schulter den Captain an. »Ich finde, Sie sollten mal zu uns herunterkommen. Sie alle vom Hohen Rat bleiben hier oben und treffen Entscheidungen für uns, aber Sie wissen nicht, wie es auf Selene wirklich ist.«
»Sicher wissen wir das! Wir beobachten alles, was dort unten vorgeht.« In der Stimme des Captains schwang nun eine gewisse Schärfe mit, und Rachel wandte sich zu ihm um, wobei sie respektvollen Abstand hielt.
»Es ist trotzdem etwas anderes, wenn man es selbst erlebt«, sagte sie. »Von hier aus können Sie die Probleme sehen, oder zumindest die meisten. Und Sie können die Fortschritte sehen. Aber Sie sehen nicht die Schönheit. Sie können nicht fühlen, wie es ist, wenn etwas weiterlebt, von dem Sie geglaubt hatten, es würde sterben. Sie wissen nicht, wie es ist, wenn Sie feststellen, dass die Frösche, mit deren Planung Sie Monate verbracht haben, überlebt und Kaulquappen bekommen haben.«
»Meine Arbeit hält mich hier auf dem Schiff fest. Schlag möglichst wenig Wellen und verhalte dich unauffällig, bis deine Freundin genesen ist und ihr wieder nach Hause zurückkehren könnt. Das ist der beste Rat, den ich dir geben kann.«
Rachel nickte; sie ging hinein und schloss die Tür hinter sich.
KAPITEL 40
L ÖSCHEN/ÜBERSCHREIBEN
Astronaut sichtete Datenströme von dem Feuer und entwickelte ein mathematisches Modell, das den tatsächlichen Vorgängen auf Selene entsprach. Falls erneut ein Brand ausbrach, würde Astronaut vorbereitet sein.
Das Feuer hätte Rachel das Leben kosten können. Sie zu schützen war für Astronaut von Bedeutung. Astronaut hatte auf keins der menschlichen Wesen auf dem Schiff unmittelbaren Einfluss, außer auf Rachel und Treesa. Er kontrollierte sie nicht; doch Astronauts Beziehung zu
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