Harlekins Mond
Veränderung zu suchen, die die Insekten davon abhalten würde, sich für menschliches Blut zu interessieren.
Astronaut fand Treesa in der Küche vor, wo sie mit dem Kneten von Brotteig beschäftigt war. Methodisch zog sie den klebrigen Teig zu sich heran und schob ihn wieder weg. Ihre Hände waren mit Mehl bedeckt. Als Astronaut ihr die Unterhaltung vorspielte, hielt sie inne und hörte zu, bevor sie sich wieder mit verstärktem Eifer dem Teig zuwandte. »Ali macht sich etwas vor«, stellte sie fest.
»Aus welchem Grund sollte Ali sich selbst belügen?« »Weil wir nicht mit offenen Karten spielen. Wir verlängern unsere Lebensspanne durch die Benutzung von Nanotechnologie. Das sollten wir nicht erstreben. ›Wir tun es ja auch nur, solange wir müssen, um Ymir zu erreichend Ha! Ali hat keine Vorstellung davon, wie heftig sie kämpfen würde, um ihr Leben zu retten.«
»Es gibt sicherlich Dinge, die sie nicht tun würde.« Der Brotteig knallte auf das Brett. Treesa sagte: »Ich bin alt genug, um deine Ängste zu verstehen. Vielleicht gibt es für dieses Problem eine Lösung.«
KAPITEL 51
LOGISTISCHE HERAUSFORDERUNGEN
Die Ratshöhen waren der erste Ort auf Selene, den Gabriel als Zuhause betrachtete. Echte Glasfenster und handgewebte Teppiche verliehen den Räumlichkeiten eine Wärme, die Gabriel in Aldrins zweckorientierten Behausungen nie empfunden hatte. In den Ecken standen Skulpturen.
Gabriel und sieben weitere Ratsmitglieder, die das Projekt Zuflucht beaufsichtigten, hatten sich die Zeit genommen, die Wohnanlage in luftiger Höhe weitgehend per Hand zu bauen. Sie repräsentierte fast zwei Jahre schweißtreibend harter Arbeit; begonnen hatten sie damit nur Tage, nachdem er und John die Zuflucht mit einer Abweichung von weniger als zwei Metern von ihrem vorgesehenen Ziel ins Wasser gesetzt hatten.
Von überall auf Selene liefen Datenströme auf den Ratshöhen zusammen.
Gabriels Wohnquartier lag am nördlichen Ende der Anlage; von einem der Fenster aus hatte man einen Ausblick über das Kratermeer. Aus den gegenüberliegenden Fenstern schaute man hinunter auf die Felder, die Camp Clarke umgaben und deren Grün und Rotbraun sich bis in die Ferne erstreckten. Apollos Morgenlicht verlieh allem eine pastorale Stimmung, die Gabriels Sorgen wegen der Produktionsausfälle Lügen strafen wollte.
Es war beinahe an der Zeit für den wöchentlichen Statusbericht an den Hohen Rat. Gabriel ging den äußeren Flur hinunter, der die überkuppelten Räume der Ratshöhen miteinander verband, bis er die große Gemeinschaftsküche und den Wohnbereich im Zentrum der elf Kuppeln erreichte. Ein Geruch von warmem Brot und Kaffee empfing ihn. John und Treesa hatten sich schon vor ihm im Gemeinschaftsraum eingefunden.
Vom Küchenfenster aus sah man hinunter auf Camp Clarke, und bequeme Sofas standen vor einem anderen Fenster mit Blick auf das Meer. Licht spiegelte sich auf dem Wasser. Die Safe Harbor, das 24-Meter-Schiff, das sie benutzten, um Güter zur Zuflucht zu transportieren, dümpelte am Ende der neuen Anlegestelle. Halb als Frachtschiff, halb als Fähre angelegt, konnte die Safe Harbor bis zu 500 Personen befördern, oder aber eine Menge Ladung. Die Anlegestelle selbst glich einem Stecken, der von einem schwarzen Spinnennetz umgeben war. Die Kraterwandung gleich unterhalb der Ratshöhen war mit Karbonfasernetzen stabilisiert worden, die bis hinab zur Wasserlinie reichten. Die Anlegestelle musste einen Gezeitenhub von zwölf Metern bewältigen. Die Brücke war bei Flut leicht zu überqueren, man ging bei sanftem Gefälle einen dicken Landesteg entlang, der, in die Netze eingefasst, mit den Gezeiten stieg und fiel. Eine Frachtrutsche ermöglichte bei Flut ein leichtes Beladen des Schiffes von der Pier aus. Bei Ebbe kletterte man hinauf oder hinunter, indem man die Netze selbst als Trittleitern benutzte.
An diesem Tag würden sie bei der virtuellen Besprechung mit Cläre und Erika nur zu dritt sein. Die anderen Bewohner der Ratshöhen befanden sich in der Zuflucht oder hielten sich unten in Camp Clarke auf.
John betrachtete Baupläne für ein zweiaktiges Segelboot, die langsam und dreidimensional in einem Datenfenster über einem niedrigen Tisch rotierten. Er bediente sich von einem Teller mit Croissants und Erdbeeren, der auf dem Tisch stand, und deutete hinauf auf den Kiel des Segelbootes. »Schaut mal«, sagte er, »seht ihr, wie elegant dieser Kiel konstruiert ist? Ich glaube, der könnte alles wegstecken, was
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