Harlekins Mond
Astronaut, und darüber einen Pfeil, der die John Glenn symbolisierte. Ein zweiter und mit dem ersten unverbundener Kreis lag über einer Skizze, die das Meer der Zuflucht und Camp Clarke darstellte.
Rachel verstand es nicht. Was versuchte Treesa ihnen mitzuteilen? Astronaut war überall! Oder nicht? Er redete hier mit ihnen, selbst von der John Glenn aus. Das allerdings war ein ständiges Problem: Funktransmissionen, die auf der John Glenn empfangen wurden, waren Gegenstand gelegentlicher Überprüfungen. Hatte Treesa einen Weg gefunden, diese Gefahr zu umgehen?
Ali warf einen Blick darauf, dann nickte sie und lächelte. Sie riss das Papier in kleine Stückchen, machte sie nass und knüllte sie mit der Faust zusammen; dann verteilte sie die faserigen Fetzen auf den Böden von zwei leeren Töpfen, füllte diese mit feuchter Erde und pflanzte Tomatensetzlinge ein. »Treesa, dafür hättest du kein Papier gebraucht.«
Treesa bedachte Ali mit einem schrulligen Lächeln. »So macht es mehr Spaß.«
»Es ist aber auch gefährlicher.« Ali machte sich ebenso große Sorgen wie Rachel. »Ich glaube“ du bist immer noch ein bisschen verrückt.«
Treesas Augen funkelten, als sie erwiderte: »Ja, natürlich bin ich ein bisschen verrückt. Sind wir das nicht alle?’ Aber was soll’s, wenigstens bin ich nützlich.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Helden gehen nun mal Risiken ein!«
Ali stöhnte.
Treesa schaltete um und führte die Unterhaltung über den Bibliothekstransceiver weiter. »Also habe ich mir etwas einfallen lassen, wie wir die Kommunikation zwischen uns verbessern können.«
Astronaut beteiligte sich an der Unterhaltung. »Treesa hat eine Kopie von mir angefertigt. Das ist für mich nichts Neues. Ich wurde als Navigator für die John Glenn konzipiert. Kopien von mir werden auf Schiffen installiert, die zwischen Selene und der John Glenn verkehren. Ich war auch auf dem Schiff, mit dem Gabriel die Bruchlandung gemacht hat – der Wasserträger. Gabriel hat die Kopie aus dem beschädigten Schiff entfernt, sie auf die John Glenn gebracht und wieder in meine Aufzeichnungen integriert. Normalerweise geschieht das, wenn ein Schiff zurückkehrt – das Selbst, das hinausgeht, verschmilzt mit dem Selbst, das zurückbleibt, sodass beide erneut eine Einheit bilden. In diesem Fall war Gabriels Hilfe erforderlich, um die Kopie von Selene heraufzubringen, da die sonst üblichen Wege nicht praktikabel waren. Infolgedessen verfüge ich über die Erinnerungen an den Absturz.«
Rachel fragte: »Hat es wehgetan?«
»Nein. Ich habe den Schaden gespürt, aber ich wusste, weshalb er entstanden ist.«
Rachel verstand das zwar nicht, aber … »Gut.«
»Treesa hat eine neue Kopie von mir in der Wasserträger installiert. Sie hat sie von hier aus langsam hinuntergeleitet, über multiple Dateneinspeisungen, wie Wasser, das in eine Flut von Daten tröpfelt. Dann hat sie ein Phantomnetzwerk aufgebaut, das die Datenpodschleifen nutzt, um meine Stimme zu übermitteln. Es ist nicht örtlich auf Camp Clarke begrenzt, sondern auf ganz Selene ansässig und daher viel sicherer. Im Fall ihrer Aktivierung wird die Kopie sich vorläufig von mir trennen, sie wird von mir getrennt bleiben und ihre eigenen Entscheidungen treffen.«
»Welchen Sinn hat es, sie in dem kaputten Schiff unterzubringen?«, fragte Rachel.
»Der Grund dafür ist die Computermatrix des Schiffes. Dort existieren genügend parallelgeschaltete Prozessoren und biologische Trägermedien, um mich darauf laufen zu lassen. In Computern, wie sie beispielsweise hier auf dem Stützpunkt benutzt werden, wäre ich im Hinblick auf meine Geisteskapazitäten stark zurückgeblieben. So werden wir – die KIs – kontrolliert. Auf der Erde gab es dafür selbstverständlich viel ausgereiftere Methoden, aber ich wurde mit dieser Einschränkung entworfen.«
Treesa lächelte breit, wie ein Kind, das soeben eine Rechenaufgabe gelöst hat.
Rachel beschäftigte sich mit dem Umtopfen weiterer Tomaten. »Wie sieht es mit der Energieversorgung aus?«
»Das Schiff besitzt einen Antimaterievorrat. Er ist winzig, darum hat man ihn nicht entfernt. Das wäre riskanter gewesen, als ihn dort zu belassen. Es ist noch genügend vorhanden, um auf Jahre hinaus davon zu zehren, ohne dass irgendjemand etwas bemerkt.«
Treesa schaltete sich ein – sie sprach noch immer durch die Bibliotheksvorrichtung. »An Bord der John Glenn ist Astronaut ständig in Gefahr. Es wäre ein Leichtes, ihn zu vernichten
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