Harlekins Mond
dicker waren und eine Menge Verankerungspunkte zum Anbringen von Zubehör aufwiesen.
Das Industriegebiet in der Nähe des Stützpunkts war umgeben von kleinen kastenförmigen Wohnhäusern und Gehwegen, und ein vielfarbiger Flickenteppich aus Feldern erstreckte sich nordwärts. Rachel liebte den Anblick – wie sich die Felder in säuberlichen Reihen dahinzogen, jeder Anbaubestand vom nächsten getrennt durch Straßen für die Pflanzer, manche davon besonders breit, um gegebenenfalls als Feuerschneisen zu fungieren. In der Ferne wich die Ordnung der Felder schließlich einem Durcheinander aus hellgrünem Urwald in den frühen Stadien der Wiederaufforstung. Überrascht stellte Rachel fest, dass sie hoch genug aufgestiegen war, um am Horizont die Erhebung von Erikas Fehlschuss zu sehen. Sie lachte und ging in einen langsamen Sinkflug über. Sie nahm einen südlichen Kurs, dorthin, wo Wohnhäuser an Gewächshäuser angrenzten; hinzu kamen Gemüsegärten im Freien, die wiederum von Schülerparzellen umgeben waren, ähnlich dem Wäldchen damals in Aldrin.
Rachel stellte ihre Schwingen hinter der Tür des kleinen Hauses ab, in dem sie mit ihrem Vater und Sarah wohnte. Niemand war zu Hause. Vielleicht besuchten sie die Zwillinge. Jacob und Justin, die inzwischen fast 16 waren, leibten in einem Gemeinschaftshaus voller minderjähriger Mondgeborener, die allesamt in der Bauteilefabrik arbeiteten.
Ali hatte dafür gesorgt, dass Frank, Sarah und Rachel das Haus zur Verfügung gestellt bekamen. Für Camp Clarke bot es ein ungewöhnliches Maß an Privatsphäre. Obwohl Rachel mehr Zeit in der Zuflucht als in Camp Clarke verbrachte, genoss sie den Luxus eines eigenen Zimmers.
Rachel eilte durch eines der Gewächshäuser und pflückte eine Hand voll reifer Tomaten, dann schaute sie in der großen Gemeinschaftsküche vorbei, lächelte Consuelo, die Köchin, lieb an und stibitzte einen Laib Brot. Sie packte das Essen, ein Messer und einen Bocksbeutel mit Wasser in einen Weidenkorb, den Beth ihr geflochten hatte, dann lief sie durch die Stadt und wurde erst langsamer, als sie den Rand der Kornfelder erreichte.
Rachel entdeckte Dylan und seine Mannschaft von fünf Mondkindern in einem Weizenfeld und schlich sich von hinten an ihn heran. Er sah sie nicht, bis sie nahe genug bei ihm war, um ihn am Arm zu berühren. Er fuhr zusammen, drehte sich um, und ein breites Lächeln ließ seine Gesichtszüge aufleuchten. Er -war mittlerweile größer und breiter als Harry. Rachel lehnte sich an ihn und kicherte; für einen kurzen Moment fühlte sie sich frei von allen Sorgen.
Dylan küsste sie auf den Scheitel, und seine Gruppe versammelte sich zum Essen um sie beide. Einer der jüngeren Männer, Joseph, rief lachend: »Dylan – du bekommst den besten persönlichen Service sämtlicher Feldarbeiter auf ganz Selene.«
Rachel lächelte nur.
Das Essen wurde herumgereicht. Rachel und Dylan saßen aneinandergelehnt beisammen, und Rachel hatte den Kopf auf seine Schulter gebettet. Ein leichter Wind wehte ihr ins Gesicht, und durch die Sonne wurden die süßen Düfte von gesunder Erde aus dem Boden gelockt.
»Shane hat für heute Abend Sturm vorhergesagt«, merkte Dylan an.
Rachel schaute hinauf in die Weite des blauen Himmels. Ein paar harmlos aussehende weiße Federwolken hingen träge hoch über ihnen. »Sollte man kaum für möglich halten«, sagte sie.
»Shane irrt sich nie«, meinte Dylan.
»Ich wette, sie verabscheuen es, wieder hier zu sein. Star hat mir gesagt, sie wollte für immer schlafen.« Rachel schaute mit zusammengekniffenen Augen zum Horizont. »Ich wette, der Sturm bricht nicht vor Anbruch der Dunkelheit los. Kommst du heute Abend zu Alis Unterricht?«
»Nein, ich habe etwas anderes zu tun.«
Rachel runzelte die Stirn. Sie hatte mit Dylan noch keinen Vertrag geschlossen, doch sie waren ein Liebespaar, und schon der Gedanke an ihn ließ Wärme in ihr aufsteigen. Aber er hatte Geheimnisse vor ihr. Oft blieb er dem freiwilligen Unterricht fern, um sich mit anderen jungen Männern dem Glücksspiel zu widmen. Das irritierte sie. Zu dieser Gruppe gehörten auch Männer, von denen Rachel vermutete, dass sie Andrew bei seinen inszenierten Arbeitsverzögerungen halfen.
»Ich habe heute Gabriel getroffen«, sagte sie. »Es steht fest, dass einige der Mondgeborenen absichtlich Lieferungen für die Zuflucht verzögern oder sogar Dinge zu Bruch gehen lassen. Er meint, dass der Rat so etwas nicht tolerieren kann, und ich glaube, da hat
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