Harlekins Mond
Und sei es nur, um zuzusehen.«
Brian schüttelte den Kopf. »Geh mit den Mädchen heim, sorg dafür, dass sie heil nach Hause kommen und dort bleiben.«
Rachel schaute ihn böse an. »Wir können auch allein heimgehen.«
Brian seufzte übertrieben und schaute Ursula an. »Ich habe Dad versprochen, dass du sicher untergebracht sein wirst, egal in welchem Zelt. Eric kann auf dich aufpassen.«
Rachel grinste. »Ursula kann über Nacht bei mir bleiben. Mein Dad bleibt sowieso nie lange auf dem Fest.«
Brian seufzte erneut. »Dann könnt ihr auf Eric aufpassen.«
»Eric kann auf Paulie aufpassen«, korrigierte Ursula. »Wir Mädchen wollen heute Nacht unter uns bleiben.«
»Wie auch immer.« Brian seufzte. »Nur bleibt nicht hier, und zwingt mich nicht, auf euch aufzupassen.«
Trommeln begannen zu schlagen; ein Zeichen für die Jüngsten, sich nach Hause zu begeben. Rachel und die anderen sahen zu, wie Paare ihre Kleinkinder auf den Arm nahmen, sich auf den Heimweg machten und zwischen den Zelten verschwanden, bis sich auf dem Rasenplatz nur noch die älteren Jugendlichen und Erwachsene ohne Babys aufhielten. Inzwischen waren nur noch ein paar hundert Leute zugegen, selbst wenn man die Erdgeborenen hinzuzählte. Der Rhythmus der Trommeln wurde schneller, Rachel und Ursula standen auf und ließen Eric und Brian zurück, die leise miteinander stritten. »Brian wird gewinnen«, sagte Ursula.
»Nur weil die Räte Eric erwischen würden, wenn er hierbliebe.«
Ursula zuckte die Achseln.
Rachel führte sie noch einmal an den Tellern mit der Schokolade vorbei, und sie kicherten, als sie beide ein zusätzliches Stück mitgehen ließen. »Wir würden sowieso nicht hierbleiben wollen«, flüsterte Ursula. »Die Männer küssen die Frauen, und meine Mom sagt, der Wein schmeckt schrecklich. Sie wollte dieses Jahr nicht mal mitkommen, aber Dad hat gesagt, sie muss.«
Rachel dachte an Harry, daran, wie es war, ihn zu küssen, und lächelte. Sie hatten sich erst an diesem Morgen erneut geküsst; sie hatten sich getroffen, waren vom Weg abgebogen und unter den Ersten Bäumen stehen geblieben. Er hatte nach Salz und Tomaten von seinem Frühstück geschmeckt. Doch davon würde Ursula nichts wissen wollen, und so sagte Rachel nur:
»Mein Dad wird nicht hingehen. Er ist nicht mehr da gewesen, seit Mom uns verlassen hat.«
Als sich die Mädchen ihren Weg zwischen den Zelten hindurch suchten, tauchte Harry vor ihnen auf. »Euch beiden auch einen frohen Mittwinter!«
Rachel errötete. Ursula gab ein lautes Stöhnen von sich.
Harry hielt eine Hand ausgestreckt, die Handfläche nach oben gewandt. Zwei Schokoladensterne lagen darauf.
»Nein, danke«, sagte Ursula. »Wir haben selbst welche.«
Rachel streckte die Hand aus, und Harry ließ die Leckereien von seiner Handfläche auf ihre fallen. Er lächelte. »Nur zu, bis nächstes Jahr werdet ihr keine mehr zu sehen bekommen.«
Rachel hielt eines der Schokoladenstücke Ursula hin, die jedoch ein ablehnendes Gesicht machte und demonstrativ ihre Hand wegzog.
Rachel blickte ihre Freundin mit hochgezogener Augenbraue an und sagte dann: »Nun, Dad wird sicher gern eins nehmen.« Sie schaute sich um und wollte Harry danken, doch er war bereits in den Schatten zwischen den Zelten verschwunden.
Ursula zog Rachel am Arm. »Komm, lass uns nachschauen, ob dein Dad schon zu Hause ist. Ich habe ihn beim Essen gesehen, aber das ist schon eine Weile her.«
Und tatsächlich wartete er schon auf sie.
Eine Woche später veröffentlichte Gabriel die Liste derjenigen, die in der kommenden Saison am Auspflanzen teilnehmen würden. Ursula würde zurückbleiben und die Schülerparzellen hüten, und Gregory und Gloria würden sich zu Harry, Rachel, Alexandra und Nick hinzugesellen und damit die Anzahl der Mondgeborenen in den Pflanzmannschaften verdoppeln. In der Nacht vor dem Aufbruch saßen Ursula und Rachel nahe beieinander auf dem dichten Gesteinsteppich gleich jenseits von Aldrin und beobachteten Harlekins kreisende Wolkenmuster. Der harte Untergrund drückte Rachel in die Kehrseite.
»Ich will nicht alleine hier zurückbleiben«, sagte Ursula.
»Danach fragt man uns doch sowieso nie, oder?« Rachel schluckte. »Das wird schon okay sein. Es ist eine Ehre, auf unseren Wald aufzupassen. Irgendjemand muss ja hierbleiben, dem etwas daran liegt.«
Ursula hatte das Gesicht hinauf in Harlekins weiches Licht gewandt; ihre Augen waren feucht. Rachel zog ihre Freundin an sich und nahm sie in die Arme,
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