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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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bisher den Weg zur John-Christie-Gedächtnis-Sporthalle weisen, noch wusste jemand, ob es die John-Christie-Gedächtnis-Sporthalle überhaupt gibt. Weder die beiden Taxifahrer aus Jakarta noch der Standesbeamte vor dem Lack-und-Leder-Laden und schon gar nicht die Mutter mit dem leeren Kinderwagen, die irgendwie hysterisch wirkte.
    Melvin starrt wieder den Penner an. Der Penner starrt Melvin an. Fragend. In seinen Augen wimmert Hoffnung.
    »Ich könnte auch ...«
    »Nein. Aber kennen Sie sich hier aus?«
    »Schon.«
    »Wissen Sie wo die John-Christie-Gedächtnis-Sporthalle ist.«
    »Weiß ich.«
    »Wie kommen wir dorthin?«
    Der Penner kaut an seinem rechten Daumennagel und kräuselt die Stirn in Falten. Er denkt nach. Aus seiner Nase tropft Glibber. »Ihr braucht eine Information?«
    Melvin ist erstaunt, wie viel Bauernschläue in der brüchigen Existenz noch vorhanden ist. »Nun gut, Sie bekommen Ihr Pfund.«
    »Fünf.«
    »Bitte?«
    »Das hat etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun.«
    »Mein lieber Penner, werden Sie nicht unverschämt.«
    »Ich könnte auch Stairway to Heaven spielen.«
    22
    Harold und Melvin sind rechtzeitig zum Gong der dritten Runde eingetrudelt. Die fünf Pfund waren gut angelegt, die John-Christie-Gedächtnis-Sporthalle hätten sie sonst nie gefunden, so weit außerhalb, fernab der Zivilisation. Der Tempel herkulischer Scharmützel ist eine Gemeinschaftsmehrzweckhalle von trefflicher Bescheidenheit, in der, wie angeschlagen, mittwochs Erlebnis-Yoga für Damen ab fünfzig angeboten wird, auch ohne Voranmeldung. Kaum mehr als hundert Zuschauer verlieren sich auf der notdürftigen Bestuhlung, und das betörende Aroma privilegierter Unterschicht nach kaltem Schweiß und schalem Bier zeugt von elegischer Authentizität. Der olfaktorischen Offenbarung des besinnungslosen Darniedertaumelns folgt ein nicht minder komplexes Staunen ob der visuellen Eindringlichkeit. Das Publikum ist dank darwinistischer Auslese ein Who’s who des menschlichen Wagemuts. Arbeitsskeptische Jungunternehmer, frühpensionierte Luden, Selbsthilfegruppen mit Migrationshintergrund, freischaffende Hooligans und Familienväter in Freizeitblousons. An Sophie’s Prosecco-Stand, das Glas für 99 Penny plus ein Pfund Pfand, stehen drei alkoholisierte Damen und giggeln Unzüchtiges. Das ansonsten männliche Publikum stört sich nicht weiter an weibischer Inkontinenz und wohnt mehr oder minder desinteressiert dem Kampf bei. Harold und Melvin sitzen in der dritten Reihe, guter Blick, niemand vor ihnen, nur drei Stühle weiter rechts sitzt ein vom Leben ausgemergeltes Individuum mit gelber Schiebermütze und schnupft Tabak.
    Der Ring hat sein brüchiges Dasein noch nicht gänzlich aufgegeben und beherbergt zwei Boxer, die entfernt wie Menschen aussehen. Melvin ist nicht sicher, welcher der beiden Helden Jonny Danger ist. Es kann aber nur der Hüne in den blauen Shorts sein, der erstaunlich behände mit seinen Füßen zu tänzeln vermag und dessen trainierter Körper im brennenden Flutlicht schokoladig plinkert. Ein Schwarzer? Fließt afrikanisches Blut in Melvins Adern? Warum nicht. Der andere jedenfalls kann unmöglich Jonny Danger sein. Es ist schwer zu erkennen, was er überhaupt sein könnte. Das Gesicht ist durch die treffsichere Führhand seines Gegners in Mitleidenschaft gezogen, die Augenfarbe durch die Schwellungen hindurch nicht zu erkennen und die Nase ein Nachtschattengewächs von weichkochender Güte. Der gedrungene Leib spiegelt die tragische Vehemenz maßloser Völlerei wider, die Fleisch gewordene Antithese heroenhafter Grazie. Und doch, so scheint es, muss dieser von Narben gezeichnete Körper Schlachten geschlagen haben, von denen Achilles nur zu träumen wagte. Ein animalisches Denkmal, zweifelsohne, von seltener Ehrlichkeit und mit schlichten malerischen Elementen verziert. Auf dem rechten Oberarm prangt eine künstlerisch zweifelhafte Meerjungfrau kurz vor der Menopause und auf dem Rücken ist der Hauptsponsor, Barney’s Schlüsseldienst Ltd. , verewigt. Er ist Rechtsausleger, also Linkshänder, genau wie Melvin. Zufall. Reiner Zufall.
    »Jetzt hau dem Neger doch mal in die Fresse, du Gurke«, krächzt der Mann mit der gelben Schiebermütze und schnupft Tabak. Melvin starrt ihn an. Die fachmännische Analyse lässt auf einen Experten schließen.
    »Entschuldigen Sie, aber welcher der beiden Herren im Ring ist Jonny Danger?«
    Der Mann mit der gelben Schiebermütze setzt das Gesicht einer allwissenden Müllhalde

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