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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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auf und schnupft Tabak. »Na, der auf dem Boden, wer sonst?«
    Melvin dreht sich wieder um. Ein harter rechter Haken hat Jonny Danger auf die Bretter geschickt. Aus der Restnase tröpfelt Blutiges, der Mann ist im Eimer, so viel ist klar. Selbst Lenny Ferguson würde keinen Penny mehr auf ihn setzen, denn nichts deutet auf einen Phönix aus der Asche hin, allenfalls die Asche selbst. Der Ringrichter ist schon bei sieben angelangt, als sich Jonny Danger mit letzter Kraft an den Seilen emporzieht und taumelnd seine Bereitschaft zur finalen Demütigung signalisiert. Doch noch bevor der schwarze Hüne die Wiederauferstehung wieder hinabschickt, ertönt ein blecherner Gong und Jonny Danger findet, zum Erstaunen aller, den Weg in seine Ecke. Dort wartet schon etwas. Theoretisch könnte es der Trainer sein. Der theoretische Trainer, ein hagerer 60-Jähriger mit rostiger Trainingsjacke, wischt mit einem nassen Schwamm notdürftig das Blut weg, die Verletzungen behandelt er nicht, es sind derer zu viele, da wüsste er ja gar nicht, wo er anfangen sollte. Wichtiger scheint ihm die psychologische Motivation zu sein: »Das machst du gut, Junge. Den hast du bald. Der kann nicht mehr. Deine Nase ist eine Waffe. Zweifelsohne. Aber du musst ihn überraschen, schlag doch mal mit der Faust zu. Auch wenn’s weh tut.« Ein dickes Vorstadtmädchen mit fettigen Haaren dreht unzüchtig einsame Runden im Ring und hält ein Pappschild mit einer handgeschriebenen vier in die Höhe. Aus einer dunklen Ecke in Nähe der Toiletten brüllt jemand »Anziehen.« Ein Herr in Freizeitblouson lacht. Die Stimmung steigt, wenn auch langsam, aber die Lunte der Ekstase ist zweifelsohne entfacht. Der Trainer reinigt den Mundschutz im Spuckeimer, er tätschelt seinen Zögling mit einer kleinen Backpfeife und sagt: »Schmerz ist nur ein anderes Wort für Deckenleuchte.«
    Derart euphorisiert torkelt Jonny Danger in die Mitte des Rings, der Gong ertönt und das Ungemach nimmt seinen Lauf. Eine klassische Links-rechts-Kombination schlägt unvermittelt ein, Flucht nach vorne, die Körper klatschen aneinander und Perlen aus Schweiß tanzen in bezaubernder Eleganz durch die Luft. Trennen. Weitermachen. Die Einschläge werden stärker. Es macht Zack, Bumm und auch Dusch. Einige Zuschauer springen auf, sie spüren die Nähe des Untergangs, den süßlichen Geschmack der totalen Vernichtung. Harold hält die Hände vors Gesicht, zu viel der Pein, da selbst das bloße Zuschauen körperliche Schmerzen verursacht. Ein linker Leberhaken raubt Jonny Danger die Sauerstoffzufuhr, kein Ausweichen mehr, so soll es sein, den anfliegenden Uppercut, der unter seinem Kinn einschlägt, sieht er nicht mehr kommen, das Gesicht eine florierende Knautschzone, der Körper fällt gerodet zu Boden, dreimal noch titscht der Kopf auf den Brettern nach, bis er endgültig zur Ruhe kommt. Keine Regung mehr.
    Moribunde. Stille.
    Jonny Danger ist tot.
    23
    Die Umkleidekabine verdankt ihre gemütliche Aura dem nackten Beton, einer Pritsche und einem verbeulten Spind, auf dem nackte Frauen posternd ihre primären Geschlechtsmerkmale preisen. Jonny Danger sitzt auf der Liege, jemand tackert ihm das Auge zurecht, ein Arzt oder ein Fliesenleger, so genau ist das nicht zu erkennen. Es riecht sehr streng. Der Raum ist ohne Fenster, es fehlt an Frischluftzufuhr. Ein Potpourri aus Blut, Schweiß und saurem Atem kitzelt in den Nasenwänden, ein Verwöhnaroma für Misanthropen. Harold und Melvin stehen im Türrahmen, im Rücken Jonny Dangers, und begutachten die medizinische Notversorgung in gebührendem Abstand.
    »Platz da!«
    Ein Unikat genetischer Versuchsreihen schiebt sich zwischen Melvin und Harold in den Raum hinein. Es ist mehr breit als hoch, das Haupt minder behaart, die Augen hinter spiegelnder Sonnenbrille vor allzu neugierigen Blicken geschützt. Sein Gang ist tumb, als hätte man es zu schwer beladen. Die wurstigen Finger mit goldigem Plunder verschmückt, der braune Anzug von einer Fuchsstola geadelt, in seinem Mund ein phallisches Ungetüm kubanischer Wickelkunst. Die Luft macht Feierabend. Aus seiner Hosentasche holt es ein Bündel Geldscheine hervor, es benetzt Daumen und Zeigefinger mit gelbem Speichel und zählt routiniert ein paar Scheine ab.
    »Jonny, alter Haudegen, klasse Kampf! Vierte Runde! Wer hätte das gedacht! Haste redlich verdient, die 600 Pfund. Abzüglich 100 Pfund für den Trainer, 50 Pfund für den Arzt, 25 Pfund Vermittlungsprovision, macht summa summarum 250 Pfund.

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