Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11
nickte
verständnisvoll. »Kinder?«
»Nein.«
Es entstand
eine Pause.
»Mein Frau
war Monteens ältere Schwester«, sagte er. »Sie ist tot.«
Das war ein
Schock. Ich seufzte. Während Hollis die Milchshakes bezahlte, merkte ich, dass
ich zwangsläufig mehr über Teenie Hopkins erfahren würde, ob ich nun wollte
oder nicht.
»Als ich
Monteen kennenlernte, war sie dreizehn. Ich war gerade auf Streife, als ich sie
draußen auf dem Land vor so einer Musikkneipe aufgriff. Sie war eindeutig
minderjährig und hatte dort nichts zu suchen. Sie hat mich noch im Dienstfahrzeug
angemacht. Sie war vollkommen unberechenbar. Als ich sie an jenem Abend zurück
zu ihrer Mutter brachte, lernte ich Sally kennen.« Er schwieg einen Moment und
hing seinen Erinnerungen nach. »Ich mochte Sally auf Anhieb. Sie war ein liebes
Mädchen, richtig süß. Teenie war das genaue Gegenteil.«
»Insofern
dürften die Teagues nicht allzu glücklich gewesen sein, dass ihr Sohn mit ihr
zusammen war.«
»Das kann
man wohl sagen. Teenie hat das von ihrer Mutter. Helen trank damals sehr viel
und war nicht besonders wählerisch, wen sie mit heimbrachte. Aber Helen hat es
geschafft, sich zu ändern, und schließlich mit dem Trinken aufgehört. Mit
Teenies Mom beruhigte sich auch Teenie.«
So hatte mir
das Sybil bei unserem zweiten Treffen allerdings nicht erzählt. Ich beschloss,
mir das für die Zukunft gut zu merken.
»Wie kommen
die Kunden auf Sie?«, fragte er mich.
Ich saugte
fest an meinem Strohhalm und wunderte mich über den abrupten Themenwechsel. Der
Milchshake war lecker, aber es war ein Fehler gewesen, an einem so kühlen Tag
ein Kaltgetränk zu wählen, und erst recht, wenn man barfuß ist. Ich fröstelte.
»Hauptsächlich
über Mundpropaganda. So bin ich auch hierhergekommen. Terry Vale hat auf
irgendeiner Konferenz von mir gehört. Leute, die bei der Stadt oder einer Behörde
arbeiten, gehen viel zu Konferenzen und schicken einander E-Mails. Außerdem gab
es in ein oder zwei Fachzeitschriften Artikel über mich.«
Er nickte.
»Sie können wohl schlecht Anzeigen schalten.«
»Manchmal
tun wir auch das. Es ist allerdings schwer, die richtigen Worte zu finden.«
»Das kann
ich mir vorstellen.« Er lächelte widerwillig. Dann fragte er plötzlich
überraschend heftig: »Sie ... Sie spüren sie einfach?«
Ich nickte.
»Ich erlebe ihre letzten Minuten, wie in einem winzigen Videoausschnitt. Würden
Sie bitte die Heizung anmachen?«
»Ja, sofort,
wenn wir fahren.« Eine Minute später hatten wir den Sonic-Drive-in verlassen
und fuhren durch das winzige Städtchen Sarne.
»Wie viele
Polizeieinsatzkräfte gibt es hier?« Ich versuchte höflich zu sein. Ich spürte,
dass Hollis sich Gedanken machte, die sich zunehmend überschlugen.
»Sie meinen
Vollzeit, außer mir? Im Moment sind das der Sheriff und noch zwei
Hilfssheriffs.«
»Nicht
gerade üppig.«
»Nicht zu
dieser Jahreszeit. Im Moment kommen nur Touristen, die das Herbstlaub bewundern
wollen. Das sind alles ziemlich friedfertige Leute.« Hollis schüttelte den
Kopf. Manche Menschen nahmen sich extra dafür frei, um ein paar tote Blätter
anzuschauen. »In der Sommersaison stellen wir noch sechs Teilzeitkräfte
zusätzlich ein. Für Verkehrskontrollen und so was.«
Hollis
Boxleitner verdiente bestimmt nicht gerade viel. Er wirkte noch jung und schien
recht intelligent zu sein. Was hatte er bloß in diesem gottverdammten Sarne
verloren? Na gut, das ging mich im Grunde nichts an, trotzdem war ich
neugierig.
»Ich habe
hier das Haus meiner Eltern geerbt«, sagte er, als könne er Gedanken lesen.
»Sie kamen bei einem Verkehrsunfall ums Leben, ein Zusammenstoß mit einem
Forstfahrzeug.« Als ich ihm sagte, wie leid mir das täte, nickte er. Zum Glück
wollte er nicht darüber reden. »Ich jage und angle gern, und ich mag die Leute
hier. Im Sommer helfe ich meinem Schwager ein bisschen, er bietet Raftingtouren
an und vermietet Boote an Touristen. Drei Monate arbeite ich mehr oder weniger
rund um die Uhr, aber so kann ich wenigstens ein bisschen was sparen. Und was
macht Ihr Bruder, wenn er Ihnen nicht gerade hilft?«
»Er ist
immer bei mir.«
Hollis sah
aus, als schlucke er höflich seine Verachtung herunter. »Und das ist alles?«
»Das
reicht.« Allein beim Gedanken, alles allein managen zu müssen, bekam ich die
Krise.
»Und wie
viel verlangen Sie so für Ihre Dienste?«, fragte er, während er den Blick auf
die Straße gerichtet hielt.
Ich konnte
nur hoffen, dass das
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