Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Titel: Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
las ich dieselbe Seite immer wieder von vorn.
    Als wir an
der Motelrezeption vorbeischauten, um uns nach dem Ozark Valley Inn zu erkundigten, merkten wir, dass uns der ältere Herr, der das Motel leitete,
nur sehr ungern Auskunft gab. Wie wir erfahren hatten, hieß er Vernon. Er trug
einen Overall und besaß das traurige, faltige Gesicht eines Bassets. Bislang
war Vernon immer recht freundlich gewesen, auch wenn wir ihn kaum zu Gesicht
bekommen hatten. Aber heute Abend war er überaus distanziert und sah uns
missbilligend an. »Sie haben also vor, dorthinzuziehen?«, fragte er beinahe
hoffnungsfroh.
    »Nein«,
entgegnete ich überrascht. »Wir treffen dort nur jemanden zum Abendessen.«
    »Ich wollte
Ihnen nämlich sagen, dass ich Ihre Zimmer sehr bald brauchen werde. Ich hoffe,
Sie haben nicht vor, allzu lange zu bleiben.«
    »Sie
erwarten um diese Jahreszeit bestimmt noch viele Gäste«, pflichtete ich ihm
vielleicht ein wenig zu kühl bei. »Und wir werden keine Minute länger bleiben,
als wir müssen.«
    »Das freut
mich zu hören.«
    »Ich
fürchte, hier rollt niemand den roten Teppich für uns aus«, sagte ich zu
Tolliver, als wir im Wagen saßen.
    Er lächelte,
aber es war ein gequältes Lächeln. »Je früher wir aus Sarne wegkommen, desto
besser«, sagte er.
    Mary Nell
kam sieben Minuten, nachdem wir im Restaurant Platz genommen hatten, das im
Süden der Stadt lag. Ihr Gesicht war leicht gerötet, und sie hielt ihr Handy in
der Hand. Wetten, dass sie ihre Mutter angelogen hatte, als sie sagte, wohin
sie ging und mit wem? In diesem Moment hasste ich das Mädchen beinahe, wegen
der Probleme, die sie uns machen konnte.
    »Tut mir
leid, dass ich zu spät bin«, sagte Mary Neil und setzte sich. »Ich musste zu
Hause noch was erledigen. Meine Mom ist total paranoid.«
    »Sie hat
ihren Sohn verloren«, sagte ich. »Da möchte sie dich natürlich ganz besonders
beschützen.« Das dürfte nicht einmal einem vollkommen ichbezogenen Teenager
entgangen sein.
    Das Mädchen
wurde knallrot. »Natürlich«, sagte sie steif. »Aber sie scheint einfach nicht
zu kapieren, wie alt ich bin.« Sie hatte sich sorgfältig gekleidet, trug neue
Hüfthosen, ein grünes T-Shirt, eine weiche, flauschige Strickjacke und Stiefel.
    »So sind
Mütter nun mal!«, sagte ich. Meine eigene Mutter hatte vergessen, wie alt ich
war, als sie zusätzlich zu den Drogen auch noch zu trinken anfing. Sie
beschloss, dass ich wesentlich älter war und dringend einen Freund brauchte.
Also schleppte sie einen Drogenkumpel an, der bereit war, ihr Stoff zu
schenken, gegen das Privileg, mein »erstes Date« zu sein. Tolliver ging damals
schon aufs College, und so hatte ich den Tag eingeschlossen in meinem Zimmer
verbringen müssen. Ich wusste, dass sie irgendwann schlafen würden und ich das
Haus verlassen könnte. Aber ich hatte Hunger und Durst und konnte nicht aufs
Klo. Anschließend hortete ich Wasser-, Keksvorräte und einen alten Kochtopf in
meinem Zimmer.
    »Hast du
schon immer in Sarne gelebt?«, fragte Tolliver Mary Nell.
    Sie wurde
rot, als er sich direkt an sie wandte. »Ja«, sagte sie. »Die Eltern meines
Vaters wurden auch hier geboren. Dad ist kurz vor Dell gestorben.« Ich war
überrascht. Als mir Edwards erzählt hatte, Sybil sei frisch verwitwet, war mir
nicht klar gewesen, wie frisch. »Dell ... er hat Dad echt vermisst. Er stand
Dad noch näher als ich.« Sie klang ein wenig beleidigt.
    »Ich möchte
dich mal was fragen, Mary Nell«, sagte ich. »Ich will dich ja nicht unnötig
beunruhigen, aber als du neulich abends mit uns gesprochen hast, bist du
plötzlich verstummt. Du sagtest etwas wie ›Wusst ich's doch, dass er Teenie
niemals umbringen würde und...‹ Danach hast du geschwiegen. Was wolltest du uns
damals mitteilen?«
    Mary Nell beäugte
mich misstrauisch. Man sah, wie hin- und hergerissen sie war. »Bitte sag es
uns, Nell«, meinte Tolliver. Als sie in seine dunklen Augen sah, war es sofort
um sie geschehen.
    »Na gut«,
meinte sie und beugte sich vor, um uns ihr Geheimnis anzuvertrauen. »In der
Woche, bevor er und Teenie... gestorben sind, hat mir Dell erzählt, dass Teenie
ein Kind erwartete.« Ihre stark geschminkten Augen waren so groß und rund wie
die eines Waschbären. Das Mädchen war aufrichtig schockiert, dass ihr Bruder
Sex mit seiner Freundin gehabt hatte, und betrachtete die Schwangerschaft als
etwas, das topsecret bleiben musste.
    »Und niemand
wusste etwas davon?«
    »Meiner
Mutter hat er bestimmt nichts erzählt.

Weitere Kostenlose Bücher