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Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Titel: Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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abbekommen.
    Mittlerweile
hatte ich einen Riesenhass auf das Motel -aber da kein Angreifer hervorsprang,
als ich die Tür aufschloss, musste ich zugeben, dass ich mich dort sicherer
fühlte als auf der Straße. Sarne war für mich nur noch eine einzige große
Gefahrenzone. Nachdem ich den Riegel vorgeschoben und die Kette vorgehängt
hatte, wusch ich mir das Gesicht, schminkte mich leicht und trug einen
knallroten Lippenstift auf. Ich wollte nicht aussehen wie ein Gespenst, wenn
ich Tolliver besuchte. Das kleine Pflaster, das ich über den Schnitt auf meiner
Wange klebte, beeinträchtigte meine Erscheinung zwar etwas, aber das war leider
nicht zu ändern. Ich weichte die blutbespritzte Jacke und den Handschuh in der
Badewanne ein und zog eine schwarze Lederjacke hervor.
    Auf der
Fahrt zum Gefängnis ertappte ich mich dabei, wie ich meine Umgebung alle paar
Sekunden mit den Augen absuchte. Beinahe kam ich mir lächerlich vor. Am
helllichten Tag würde mich in diesem geschäftigen Städtchen bestimmt niemand
umbringen, redete ich mir gut zu. Andererseits hatte ich vor nicht allzu langer
Zeit auch noch gedacht, Scot nicht mehr so schnell zu Gesicht zu kriegen. Dass
er ein harmloser Teenager sei, dessen Bestrafung ich getrost seinem
Footballtrainer überlassen könnte. Von wegen!
    Ich war
schon öfter im Gefängnis zu Besuch gewesen. Durchsucht zu werden und meine
Handtasche abgeben zu müssen, war also nichts Neues für mich. Trotzdem war es
alles andere als angenehm. Meine plötzlichen Bewegungen auf dem Friedhof hatten
die schmerzhaften Prellungen vom Vortag zu neuem Leben erweckt. Ich war nur
noch ein Häuflein Elend und hasste es, so hilfsbedürftig zu sein.
    Als ich sah,
wie Tolliver in einem orangefarbenen Gefängnisoverall den Raum betrat, wurde
mir ganz anders, und ich schlug instinktiv die Hand vor den Mund. Mit ihm
betraten noch zwei weitere Gefangene den Raum (keiner davon war Scot). Sie
gingen zu ihrem jeweiligen Besuch an kleinen, voneinander getrennten Tischen.
Die Besuchsregeln im Gefängnis von Sarne waren wie folgt: Die Hände bleiben so
auf dem Tisch liegen, dass sie immer zu sehen sind. Dem Gefangenen darf nichts
übergeben werden, außer es wurde zuvor mit den Aufsehern abgesprochen. Nicht
laut reden oder sich plötzlich vom Stuhl erheben, bis die Gefangenen den Raum
verlassen haben.
    Tolliver
nahm meine Hände, und wir sahen uns an. Schließlich sagte er: »Du bist
verletzt.«
    »Ja.«
    Sein Blick
wurde starr. »Dein Gesicht. Hat dich einer von denen geschlagen?«
    »Nein,
nein.« Ich hatte mir keine Erklärung für ihn zurechtgelegt. Es wäre auch dumm
gewesen, ihm verschweigen zu wollen, was mir, seit er im Gefängnis saß,
zugestoßen war. Mir fiel auch keine Lüge ein, die das alles erklären könnte,
nicht mal Tollivers Seelenfrieden zuliebe. »Jemand hat aus dem Wald auf mich
geschossen«, sagte ich ohne Umschweife. »Bis auf diesen Kratzer ist mir nichts
passiert. Ich werde nicht mehr auf den Friedhof gehen.«
    »Was ist nur
los in dieser Stadt?« Tolliver musste sich schwer beherrschen, um nicht laut
loszuschreien. »Was haben diese Leute bloß?«
    »Hast du
Scot gesehen?«, fragte ich betont munter.
    »Scot, den
Teenager?«
    »Ja.«
    »Gestern
Abend ist noch ein Neuer gekommen, aber den habe ich noch nicht gesehen.
Weshalb sitzt er im Gefängnis?«
    »Er war in
meinem Motelzimmer, als mich Hollis gestern Abend nach Hause gebracht hat. Und
er...«
    Der Ausdruck
auf Tollivers Gesicht ließ mich innehalten.
    »Bitte
beruhige dich«, flüsterte ich eindringlich. Ich klammerte mich an seine Hände
wie eine Ertrinkende. Aber vielleicht war er ja derjenige, der gerade ertrank.
»Du musst. Du musst einfach. Du darfst dich hier nicht in Schwierigkeiten
bringen, sonst behalten sie dich da. Glaub mir, es geht mir gut. Ich habe die
Anwälte angerufen, und eine Frau, eine gewisse Phyllis Folliette aus Little
Rock, kommt morgen zu deiner Anklageverlesung. Sie ist eine Freundin von Art,
kann also bestimmt was. Man wird dich entlassen, und dann wird alles gut.« Ich
wechselte meine Position auf dem harten Stuhl und unterdrückte ein Wimmern.
    »Dieser Scot
ist ein Mistkerl«, sagte Tolliver. Seine Stimme klang täuschend ruhig.
    »Ja«, sagte
ich und lachte kurz auf. »Und ob. Ich glaube allerdings, dass ihn jemand dafür
bezahlt hat, ein schlimmerer Mistkerl zu sein, als er es eigentlich ist.«
    Ich erzählte
Tolliver vom Tod von Dick Teague. Dass Sally gerufen worden war, um sein
Arbeitszimmer zu putzen,

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