Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
(keine Butter, wenig Salz) hin und
her.
Wir waren
zufrieden mit dem Schöne-Pathologin-in-großer-Gefahr-Film, weil wir wussten,
dass er am Ende (mehr oder weniger) gut ausgehen würde. Als die Protagonistin
einmal Probleme hatte, die Todesursache eines sehr gutaussehenden Kerls festzustellen,
stießen wir uns gegenseitig in die Rippen. »Du hättest innerhalb einer Sekunde
Bescheid gewusst«, sagte Tolliver mit einem Flüstern, das nur ich verstehen
konnte. Das Kino war nicht vollkommen leer, aber da es sich um eine
Nachmittagsvorführung an einem ganz normalen Wochentag handelte, waren noch
viele Plätze frei. Niemand redete, kein Kind weinte, also war es ein angenehmes
Erlebnis.
Als der Film
vorbei war und der Bösewicht endgültig das Zeitliche gesegnet hatte - obwohl
wir mehrmals dachten, er wäre tot, bedurfte es doch mehrerer Anläufe -,
schlenderten wir nach draußen und unterhielten uns über die Spezialeffekte
sowie über die mögliche Zukunft der Hauptfiguren. Das ist eine unserer
Lieblingsbeschäftigungen. Was würde als Nächstes geschehen, nun, da die
Handlung des Films zu Ende war?
»Sie wird
wieder arbeiten, auch wenn sie das Gegenteil behauptet«, sagte ich zu Tolliver.
»Nach all den Schießereien und Verfolgungsjagden wird sie sich als Hausfrau zu
Tode langweilen. Immerhin hat sie dem Kerl eins mit dem Bügeleisen
übergebraten.«
»Nö, ich
glaube, sie wird den Polizisten heiraten, zu Hause bleiben und sich
hingebungsvoll um die Zubereitung der Familienmahlzeiten kümmern«, sagte
Tolliver. »Sie wird nie wieder was beim Chinesen bestellen. Weißt du denn nicht
mehr, wie sie die Speisekarte abgerissen hat, die neben dem Telefon an der Wand
hing?«
»Sie wird
stattdessen einfach Pizza bestellen.«
Er lachte
und holte die Taxiquittung aus seiner Hosentasche, um uns noch einmal ein Taxi
zu rufen, das uns zurück ins Hotel brachte.
Plötzlich
packte jemand meinen linken Arm, und ich schreckte zusammen. Schnell drehte ich
mich um und starrte die Frau an, die mich festhielt. Sie trug einen weiten
Mantel mit einem auffälligen Karomuster, hatte rot gefärbte Haare, die auf der
einen Seite des Kopfes hochgesteckt waren und auf der anderen in wilden Locken
herabhingen. Ihr Lippenstift blieb nicht unbedingt innerhalb der Konturen ihrer
Lippen, und sie trug riesige Ohrringe mit Glitzersteinen, die in der
Nachmittagssonne funkelten.
Tolliver war
ebenfalls herumgefahren und wollte ihr schon mit seiner freien Hand an die
Kehle gehen.
»Ich muss einfach mit dir reden«, sagte sie ebenso hastig wie
zerstreut.
»Hallo,
Xylda«, sagte ich mit einer Stimme, die man Menschen gegenüber benutzt, die
eindeutig durchgeknallt sind.
»Xylda«,
sagte Tolliver beinahe knurrend. Er hatte sich auf eine Konfrontation
eingestellt, doch jetzt musste er Toleranz zeigen. Heftiger als nötig steckte
er sein Handy zurück in die Hosentasche. »Was können wir für dich tun? Wieso
bist du hier?«
»Ihr schwebt
in großer Gefahr«, sagte sie. »In furchtbarer Gefahr. Ich dachte, ich muss euch warnen. Ihr seid noch so jung und wisst gar nicht,
wie schlecht die Welt sein kann.«
Hm, ich
glaube, in der Hinsicht weiß ich ziemlich gut Bescheid. »Tolliver und ich sind
vielleicht noch jung an Jahren, aber nicht gerade arm an Erfahrungen, Xylda«,
sagte ich bemüht freundlich. »Schau, da drüben gibt es ein Café. Sollen
wir eine heiße Schokolade oder einen Kaffee trinken gehen? Oder vielleicht
einen Tee?«
»Das wäre
wirklich toll«, erwiderte sie. Der Unterschied zwischen Xylda und mir hätte gar
nicht größer sein können. Sie war kleiner, deutlich dicker und mindestens
dreißig Jahre älter. Im Hellseher-Geschäft war sie, seit sie aufgehört hatte,
als Prostituierte zu arbeiten. Xyldas Mann, Robert, war ihr Zuhälter gewesen,
und nach seinem Tod vor einem Jahr war Xylda völlig durchgeknallt. Keine
Ahnung, wie sie ohne irgendjemand, der sich um sie kümmerte, überleben wollte.
Sie sah wirklich nicht gerade aus wie jemand, den ich gern als Hellseherin
engagiert hätte. Andererseits überschätzte ich ihre Klientel vielleicht auch.
Manche finden tatsächlich, dass Xyldas hellseherische Fähigkeiten durch ihr
merkwürdiges Verhalten und ihre ebenso merkwürdige Kleidung noch unterstrichen
werden.
Ich
persönlich sehe das anders. Ich weiß, dass viele Hellseher, und zwar echte wie
falsche, emotional instabil sind, wenn nicht sogar geisteskrank. Wenn man mit
hellseherischen Fähigkeiten zur Welt kommt, muss man
einen ho
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