Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Tolliver beugte sich über mich, die Hände in die
Seiten gestemmt.
»Von mir aus
hättest du gar nichts sagen müssen«, sagte ich so neutral wie möglich. Aber
dann sprang ich auf und schrie ihn an. »Zumindest nicht heute. Was ich mir
allerdings gewünscht hätte, ist, dass du damals etwas diskreter und vor allem
intelligenter gewesen wärst! Was hast du dir nur dabei gedacht? Hast du dir
überhaupt irgendwas dabei gedacht?«
»Du musst
mir doch auch ein paar Freiheiten lassen!«
»Nein! Nein!
Die eine oder andere Kellnerin kannst du von mir aus vernaschen, wenn es
unbedingt sein muss. Wir haben alle unsere Bedürfnisse.
Aber etwas mit einer Kundin anfangen, mit jemandem, der in einen Fall wie
diesen verwickelt ist ... Mensch, Tolliver! Schaffst du es nicht einmal, deinen
Hosenstall zuzulassen?«
Da Tolliver
eindeutig im Unrecht war, wurde er nur noch wütender. »Sie war bloß irgendeine
Frau. Sie gehört nicht mal zur Familie, zumindest nicht zum Kern der Familie.«
»Bloß
irgendeine Frau, verstehe. So ist das also. Nichts als ein Loch, in das du
deinen Schwanz stecken kannst, was? Du bist ja wirklich anspruchsvoll. So viel
Gedanken machst du dir also, bevor du Sex hast. ›Ist das die Frau, mit der ich
ein Kind möchte?‹ Diese Frage solltest du dir eigentlich stellen, Tolliver!«
»Ach, daran
hast du also gedacht, als du mit dem Bullen aus Sarne ins Bett bist? Dass du
ein Kind von ihm willst?«
Wieder
entstand eine unangenehme Pause mit noch unterschwelligeren Spannungen als
zuvor.
»He«, sagte
er dann. »Tut mir leid, das habe ich nicht so gemeint.« Meine Wut war fast
verraucht.
»Aber mir
tut es nicht leid. Du weißt, dass du einen Fehler gemacht hast. Kannst du das
nicht einfach zugeben? Musst du dich auch noch rechtfertigen?«
»Und du
glaubst, das kannst du von mir verlangen?«
»Allerdings.
Die Sache ging schließlich nicht nur dich etwas an, sie hatte auch mit einem
Auftrag zu tun. So was hast du noch nie gemacht.« Davon ging ich zumindest aus.
»Felicia hat
uns nicht bezahlt. Sie gehört nicht wirklich zur Familie.«
»Trotzdem.«
»Ja, ist ja
gut«, gab er nun doch noch klein bei. »Du hast ja recht. Sie war zu sehr in die
Sache verstrickt. Ich hätte es nicht tun dürfen.« Er lächelte, dieses seltene,
strahlende Lächeln, das mir beinahe ebenfalls ein Lächeln entlockt hätte. Aber
eben nur beinahe. »Aber sie hat mich echt angemacht, und ich war wahrscheinlich
zu schwach, sie abzuwimmeln. Sie war willig, sie war hübsch, und aus damaliger
Sicht schien nichts dagegen zu sprechen.«
Ich wusste
nicht, was ich dem entgegensetzen sollte. Ja, was sprach eigentlich dagegen?
Nun, zum Beispiel, dass uns Tollivers Liebesleben soeben eingeholt hatte.
Soweit ich das beurteilen konnte, steckten wir jetzt noch mehr in
Schwierigkeiten.
Tolliver
nahm mich in den Arm. »Es tut mir leid«, sagte er leise und aufrichtig. Ich
umarmte ihn ebenfalls, atmete seinen vertrauten Duft ein und schmiegte meine
Wange an seinen muskulösen Oberkörper. Wir verharrten eine ganze Weile so, während
der Staub im Licht tanzte, das durch das Hotelfenster fiel. Dann lockerte er
seine Umarmung, und ich löste mich von ihm.
»Eigentlich
hätte dich die Polizei Folgendes fragen müssen: Wer hat dich wegen des
Friedhofsauftrags angerufen?«, sagte ich.
»Dr. Nunley.
Und zur Verteidigung von Detective Lacey muss ich sagen, dass er mich das bereits auf dem Revier
gefragt hat.«
»Hat Nunley
gesagt, wer ihm den Tipp gegeben hat, uns zu kontaktieren? Oder hattest du den
Eindruck, dass es seine Idee war?« Ich ging wieder ins Wohnzimmer, um mir etwas
zu trinken zu holen. Tolliver folgte mir gedankenverloren.
»Ich bin
davon ausgegangen, dass dich irgendjemand ihm gegenüber erwähnt hat, denn er
hat mir jede Menge Fragen gestellt. Wäre die Einladung auf seinem Mist gewachsen,
hätte er eigentlich mehr über dich wissen müssen.«
»Okay. Also
müssen wir mit ihm reden.« Ich konnte gut verstehen, warum Tolliver das Gesicht
verzog. »Ja, ich weiß, der Typ ist ein Arschloch.«
Tolliver
holte sein Handy und mehrere zusammengefaltete Zettel aus der Hosentasche.
Tolliver hat ständig Zettel in den Hosentaschen. Würde er seine Wäsche nicht
selbst waschen, müsste ich ständig seine Taschen durchsuchen. Irgendwann fand
er den richtigen Zettel mit der richtigen Telefonnummer und wählte sie. Ich
konnte hören, wie es am anderen Ende klingelte. Schließlich sprang der
Anrufbeantworter an, und als es piep machte,
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