Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Mann war. Plötzlich wurde ich ganz
verlegen und fühlte mich lächerlicherweise geschmeichelt.
»Ich werd's
mir merken«, sagte ich, und Manfred küsste meine Hand. Wegen der Piercings
fühlte sich das komisch an. Ich spürte ein Stück Zunge, sein Ziegenbärtchen und
natürlich den kühlen Metallstift in seinem Mund. Ich wusste nicht recht, ob ich
kichern, kreischen oder keuchen sollte.
Ȇberleg
doch mal, was für prächtige Kinder wir bekommen könnten«, sagte Manfred, und
ich entschied mich fürs Kichern.
»Das geht
mir ein bisschen zu schnell«, sagte ich. »Ich fand dich toll, bis du das mit
den Kindern gesagt hast.«
»Ich werd's
mir merken«, sagte er und grinste zurück. »Den Fehler mache ich nicht noch
einmal.«
Als sie weg
waren, drehte ich mich zu Tolliver um und fragte ihn, welchen Reim er sich auf
Xyldas Gequassel gemacht habe. Tolliver sah Manfred nicht sehr freundlich
hinterher.
»Stell dich
nicht so an«, sagte ich. »Tolliver! Nun komm schon. Er ist Jahre jünger als
ich!«
»Vielleicht
drei oder so«, meinte Tolliver, woraufhin mir einfiel, dass er drei Jahre älter
war. »Und er hat Mut, das muss man ihm lassen. Trotzdem
geht er mir auf den Sack.«
»Seiner ist
bestimmt gepierct«, sagte ich, woraufhin mich Tolliver überrascht ansah und gegen
seinen Willen lachen musste.
»Was würdest
du sagen, wenn ich mich tätowieren und an einer Braue piercen lassen würde?«,
meinte er.
»Ich würde
unbedingt zusehen wollen. Außerdem würde mich interessieren, für welche
Tätowierung du dich entscheidest.« Ich musterte ihn kurz und versuchte mir
Tolliver mit einer gepiercten Braue oder einem gepiercten Nasenflügel
vorzustellen. Ich musste grinsen. »Und wo du die Tätowierung hinhaben willst.«
»Wenn, dann
nur auf den unteren Rücken, damit ich sie jederzeit verstecken kann«, sagte er.
»Du hast es
also ernsthaft in Erwägung gezogen?«
»Ja. Ein
bisschen schon.«
»Hmmmmm. Und
wüsstest du auch, was für eine Tätowierung?«
»Klar.«
»Was denn
für eine?« ■
»Einen
Blitz«, sagte er, aber ich wusste nicht recht, ob er das ernst meinte.
7
Auf der
Rückfahrt zu unserem Hotel erwischten wir wieder einen schweigsamen Taxifahrer,
und ich hatte etwas Zeit zum Nachdenken. Xylda mag durchgeknallt sein, aber sie
ist eine echte Hellseherin. Wenn sie sagt, dass Tabitha nach der Entführung
noch ein paar Stunden gelebt hat, glaube ich ihr. Ich hätte ihr andere Fragen
stellen sollen, dachte ich. Ich hätte fragen sollen, warum sie der
Entführer noch so lange am Leben ließ. Aus sexuellen Motiven? Aber genau das
hatte sie ja ausgeschlossen.
»Fandest du
Xylda noch durchgeknallter als sonst?«, fragte Tolliver. Es war direkt
unheimlich, wie er plötzlich meine Gedanken lesen konnte.
»Ja«, sagte
ich. »Deshalb habe ich mich gefragt, wie alt sie eigentlich wirklich ist.«
»Sie kann
unmöglich über sechzig sein, oder?«
»Ich würde
sagen, eher jünger, aber heutzutage...«
»Sie sah gut
aus.«
»So gut wie
Xylda eben aussieht.«
»Aber rein
körperlich wirkte sie fit.«
»Geistig war
sie allerdings ganz schön weggetreten ... und wahnsinnig vage: ›In der Eiszeit
wirst du glücklich sein‹, hat sie zu mir gesagt. Was zum Teufel soll das
bedeuten?«
»Keine
Ahnung. Was hat sie sonst noch erzählt, während ich Kaffee holen war?«
»Sie meinte,
ich sei nicht aufrichtig, was immer das heißen soll. Und mit dieser Eiszeit
hätte sie durchaus etwas konkreter werden können. Wahrscheinlich ist sie nach
Roberts Tod noch wunderlicher geworden. Seelisch stabil war sie ja noch nie.
Zumindest scheint sich Manfred gut um sie zu kümmern, und er respektiert ihre
Gabe.«
»Glaubst du,
wir sollten den Morgensterns von diesem Kerl erzählen, den wir in San Francisco
kennengelernt haben? Meinst du, sie wären offen für einen Hellseher?«
»Nein«,
sagte ich sofort. »Tom denkt sich was aus, wenn er nichts sieht.«
»Genau wie
Xylda.«
»Aber nur,
wenn es nicht darauf ankommt, Tolliver.«
Er sah mich
an, als verstehe er den Unterschied nicht.
»Na, wenn
irgendein junges Mädchen zum Spaß wissen will, ob es glücklich wird, erfindet
Xylda vielleicht irgendwas, damit es zu einem selbstbewussten, fröhlichen
Menschen heranwächst. Sachen, die niemandem wehtun. Aber wenn ein Schicksal
davon abhängt und der Kunde sie ernst nimmt, würde Xylda nie sagen : ›Oh ja,
Ihr vermisster Sohn lebt‹, wenn sie keine entsprechende Vision hat. Aber Tom
erzählt immer was, egal, ob er etwas
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