Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
Polizei nach
Kräften zu unterstützen, und ich bleibe so lange, bis...«
Er hatte
Mühe, seinen Satz zu beenden.
»Sie wurden
schon damals hinzugezogen«, sagte ich betont freundlich. »Sie waren in Nashville.«
Er atmete
tief durch. »Ja, das stimmt. Unsere Wege haben sich zwar nie gekreuzt, aber ich
wurde dorthin beordert, als Tabitha vermisst wurde. Ich habe mit ihrer Mutter,
ihrem Vater, ihrem Bruder, ihrer Tante, ihrem Onkel, ihren Großeltern
gesprochen. Ich hab mit dem Schülerlotsen geredet, der Tabitha ermahnt hat,
nicht bei Rot über die Straße zu gehen, ich hab mit dem Lehrer gesprochen, der
gedroht hat, ihr einen Verweis wegen Schwätzens im Unterricht zu geben, und ich
hab mit dem Gärtner geredet, der zu ihrem Vater gesagt hat, dass aus Tabitha
sicherlich noch einmal eine hübsche Frau werden würde.« Er atmete tief durch.
»Ich habe die Polizeibeamten begleitet, als sie die Mütter aus Dianes
Fahrgemeinschaft verhörten, ich habe mit Victor und seinen Freunden geredet,
ich habe mit Victors Exfreundin geredet, die schwor, sich an ihm zu rächen, und
ich habe mit der Putzfrau geredet, die sagte, Tabitha hasse es, ihr Zimmer
aufzuräumen.« Er schwieg lange. »Von niemandem habe ich irgendetwas Relevantes
erfahren. Niemand hatte ein Motiv, das Mädchen aus dem Weg zu räumen. Sie war
vielleicht nicht perfekt. Auch diejenigen, die sie liebten, hatten manchmal
Probleme mit ihr, sie war nicht immer nur lieb und brav. Aber das ist kein
Kind, und erst recht nicht in diesem Alter. Soweit ich das beurteilen kann,
wurde sie von ihren Eltern geliebt, und zwar unabhängig davon, was sie tat oder
sagte, und sie haben sich bemüht, ihr gute Eltern zu sein. Ich finde nicht,
dass sie verdient haben, was nach Tabithas Verschwinden geschah.«
»Warum
Tabitha? Warum interessieren Sie sich so für diesen Fall ? Sie haben doch
bestimmt öfter mit Vermisstenfällen zu tun«, sagte ich. »Und auch mit
verschwundenen Kindern.«
Er fuhr sich
mit beiden Händen über das Gesicht, wie um seine Züge zu glätten. »Mit
Siebenern«, sagte er. »Mit viel zu vielen.«
Tolliver und
ich sahen uns an.
»Mit
Siebenern?« Ich redete bewusst leise. Dieser Mann schien gerade so einiges
durchzumachen, und ich wollte ihn nicht noch mehr aus dem seelischen
Gleichgewicht bringen.
»Entführungsfälle.
Das ist die Kennziffer für Entführungsfälle«, sagte Koenig.
»Aber es gab
nie eine Lösegeldforderung«, sagte Tolliver. Er stützte die Ellbogen auf die
Knie. »Das FBI kann also auch eingeschaltet werden, wenn sich die Suche nicht
auf mehrere Bundesstaaten erstreckt und es keine Lösegeldforderung gibt?«
Der Agent
nickte. »Und zwar bei jedem mysteriösen Verschwinden eines Kindes unter zwölf
Jahren«, sagte er. »Wir haben der Polizei von Nashville und
Memphis unsere Dienste angeboten. Wir haben Forensiker hinzugezogen, die die
Leiche untersuchen. Unsere Leute haben sich bereits das Grab angesehen. Gott
sei Dank hat der Mörder Nunley nicht in das Grab geworfen, bevor unser Team mit
seiner Untersuchung fertig war. Dasselbe Team sucht seit heute Morgen wieder
das Grab ab, nachdem der Tote gefunden wurde.«
Ich schloss
die Augen und lehnte mich zurück.
»Natürlich
wissen wir, dass Nunley gestern Abend hier war und Sie am Arm gepackt hat, Miss Connelly Aber wir wissen auch, dass er anschließend
gegangen ist. Er ließ sich von den Hotelangestellten übrigens kein Taxi rufen.
Die haben gesehen, wie er in seinen Wagen stieg und davonfuhr. Hat er sich
gestern Abend noch einmal bei Ihnen gemeldet?«
»Nein«,
sagte ich.
»Warum war
er so wütend?«
»Er dachte,
ich hätte ihn irgendwie betrogen. Er hatte große Schwierigkeiten zu glauben,
dass meine Gabe echt ist. Er versuchte, eine logische Erklärung zu finden für
etwas, das einfach unerklärlich ist.«
Seth Koenig
wirkte nachdenklich, als ob er sich etwas Wichtiges zu merken versuchte. Ich
überlegte, ob wir Art Barfield anrufen mussten.
»Und wo
waren Sie, Mr Lang?«, fragte Koenig.
»Ich bin die
Beale Street entlangspaziert und habe versucht, ein gutes Blueskonzert zu
finden. Ich habe den Touristen gespielt.«
»Und wann
sind Sie ins Hotel zurückgekehrt?«
»So gegen
sieben, glaube ich. Harper hat schon geschlafen.«
»Ich war
nach der kleinen Szene mit Dr. Nunley ziemlich außer mir«, erklärte ich. »Ich
hatte furchtbare Kopfschmerzen. Also habe ich ein paar Tabletten genommen und
bin ins Bett.«
»Hat Sie
irgendjemand dabei gesehen?«
»Ich habe
keinen
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