Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
unter falschen Voraussetzungen mit seiner
Unterstützung, und früher oder später würde ich mir das eingestehen müssen.
»Du musst
etwas essen«, sagte er, und ich landete wieder höchst unsanft auf dem Boden der
Realität.
»Ja«,
stimmte ich zu. Ich brauchte wirklich etwas zu essen, und es wäre auch schön
gewesen zu wissen, wo wir nachher unterkämen. Ich würde mich ausruhen müssen,
und zwar unabhängig davon, ob ich auf neue Leichen stieß oder nicht.
»Na gut«,
sagte ich. »Ich werde irgendwo etwas essen, und dann treffen wir uns wieder.«
»Glauben Sie
bloß nicht, dass Sie die Stadt verlassen können, ohne dass wir das merken.«
»Ich mag Sie
ganz und gar nicht«, sagte ich.
Sie sah zu
Boden. Keine Ahnung, welchen Gesichtsausdruck sie wohl vor mir verbergen
wollte. Vielleicht war sie im Moment auch nicht gerade stolz auf sich.
Wir stahlen
uns zum Hinterausgang hinaus und fanden endlich ein Fastfoodlokal, das
einigermaßen anonym wirkte. Es war zu kalt, um im Auto zu essen, wir mussten
also nach drinnen gehen. Zum Glück schien keiner der Gäste Zeitung zu lesen,
oder sie waren einfach zu höflich, um mich anzusprechen. Das bedeutete, dass
keine Reporter hier waren. Aber ich musste in jedem Falle etwas essen. Bei den
einfachen Mahlzeiten hier war es nicht nötig, dass Tolliver mir etwas klein
schnitt. Er musste nur die Ketchuppackung für mich aufreißen und einen
Strohhalm in meinen Drink stecken. Ich aß langsam, denn wenn wir fertig wären,
würde ich zu dieser verdammten Scheune müssen, und darauf hatte ich überhaupt
keine Lust.
»Ich finde
das echt ätzend«, sagte ich, nachdem ich meinen Hamburger zur Hälfte
aufgegessen hatte. »Nicht das Essen, sondern unsere Situation.«
»Ich auch«,
sagte er. »Aber ich wüsste nicht, wie wir da rauskommen sollen, ohne uns noch
mehr Scherereien einzuhandeln.«
Ich wollte
ihn schon anschreien und sagen, dass ich es war, die diese unangenehme Aufgabe
erledigen musste, dass er wie immer bloß daneben stehen würde. Zum Glück machte
ich den Mund wieder zu, bevor diese hässlichen Worte herauskamen. Ich war
entsetzt, wie schnell ich in einem gereizten Moment fast alles zwischen uns
zerstört hätte. Wie oft danke ich Gott, dass Tolliver bei mir ist? Wie oft bin
ich dankbar dafür, dass er mich vor der Welt schützt?
»Harper?«
»Was ist?«
»Du siehst
mich so merkwürdig an. Was ist los?«
»Ich war nur
in Gedanken.«
»Das waren
aber keine sehr angenehmen Gedanken.«
»Stimmt.«
»Bist du aus
irgendeinem Grund böse auf mich? Hätte ich mich mehr mit Sheriff Rockwell anlegen sollen?«
»Ich glaube
nicht, dass uns das weitergeholfen hätte.«
»Ich auch
nicht. Warum dann dieses wütende Gesicht?«
»Ich war nur
wütend auf mich selbst.«
»Das ist
doch Blödsinn. Du hast nichts falsch gemacht.«
Ich
versuchte zu seufzen. »Ich mache ständig etwas falsch«, sagte ich, und wenn ich
genervt dabei klang, konnte ich es auch nicht ändern. Ich wusste, dass ich mehr
von Tolliver wollte, als er mir geben konnte oder durfte, und dieses Wissen
musste ich vor allen verbergen, vor allem aber vor ihm.
Ich war
wirklich total genervt, und je schneller ich diese Phase überwinden würde,
desto besser.
Auf der
Fahrt zum Revier riefen wir Sheriff Rockwell an, damit
sie uns gleich davor treffen konnte. Wir parkten unseren Wagen und stiegen in
ihren. »Er muss nicht mitkommen«, sagte sie und wies
mit dem Kinn auf Tolliver.
»Er kommt
mit«, sagte ich. »Darüber verhandle ich nicht.
Bevor ich
irgendwo ohne ihn hingehe, rede ich lieber eine Stunde mit den Reportern.«
Sie musterte
mich unfreundlich und zuckte die Achseln. »Ganz wie Sie wollen«, sagte sie.
»Dann kommt er eben mit.«
Als sie aus
dem Parkplatz fuhr, wendete sie noch einmal, um nicht am Revier vorbeifahren zu
müssen. Ob sie wohl selbst scharf auf Ruhm und Ehre war? Andererseits mied sie
die Medien, ich wurde einfach nicht schlau aus ihr.
Obwohl ich
etwas zu essen und eine kurze Verschnaufpause gehabt hatte, bekam ich von der
Fahrt zu unserem Ziel am Rande der Stadt kaum etwas mit. Ich war alles andere
als genesen. In der Apothekentüte, die auf dem Rücksitz unseres Autos lag,
waren die Schmerzmittel. Ich wünschte, ich hätte sie dabei, musste mir aber
eingestehen, dass ich ohnehin keine genommen hätte, bevor mein Job nicht
erledigt war. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich von meiner Routine
abweiche. In Gedanken ging ich kurz mehrere Möglichkeiten durch, aber das wurde
mir
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