Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
schon bald langweilig. Als Sheriff Rockwell
anhielt, hatte ich den Kopf gegen die kalte Fensterscheibe gelehnt.
»Schaffen
Sie es?«, fragte sie widerstrebend.
»Bringen wir
es hinter uns.«
Tolliver
half mir aus dem Wagen, und wir gingen zu einer Gruppe Männer vor dem Eingang
einer Scheune, die einst rot gewesen war. Sie war in keinem so schlechten
Zustand wie der Schuppen des Hauses im Vorgebirge, aber zwischen den Brettern
klafften Lücken, der Anstrich war nur noch teilweise vorhanden, und bloß das
Blechdach schien das Ding überhaupt noch zusammenzuhalten. Ich sah mich um: Am
Anfang des Grundstücks stand ein Haus, das in einem deutlich besseren Zustand
war als die Scheune. Also wollte hier jemand weder Ackerbau noch Viehzucht
betreiben, sondern nur in einem Haus mit einem bisschen Grund wohnen.
Die Männer
traten auseinander und gaben den Blick auf zwei Personen frei, die in ihrer
Mitte standen. Eine war ein etwa vierzigjähriger Mann. Er trug einen dicken
Mantel, den er nicht zugeknöpft hatte. Er war recht klein, nicht größer als
Doak Garland. Er ertrank beinahe in seinem Mantel. Darunter konnte ich ein
feines Hemd mitsamt Krawatte erkennen. Er hatte seinen Arm um einen etwa zwölfjährigen
Jungen gelegt. Der Junge war klein, untersetzt, hatte lange blonde Haare und
war kräftiger gebaut als sein Vater. Im Moment schien er völlig überwältigt zu
sein vor Entsetzen und gespannter Erwartung.
Was sich
auch immer in der Scheune befand, der Junge wusste davon.
Sheriff Rockwell blieb nicht bei den beiden stehen, als wir
an ihnen vorbeigingen, und ich ließ meinen Blick auf dem Jungen ruhen. Ich
kenne dich, dachte ich, und ich wusste, dass er dieses Wiedererkennen in
meinen Augen sah. Er wirkte ein wenig verängstigt.
Ich nehme
Kontakt zu Toten auf, aber manchmal auch zu Menschen, die von Toten besessen
sind. Manche davon sind harmlos. Manche beschließen, im Bestattungsgewerbe zu
arbeiten oder Leichenwäscher zu werden. Dieser Junge war auch so einer. Oft
bemerke ich sie nicht einmal, aber da sich dieser junge Mann noch kein so
dickes Fell zugelegt hatte wie ein Erwachsener, nahm ich diese Neigung an ihm
war. Ich wusste nur nicht, wie sich seine Besessenheit äußerte.
In der
Scheune hing eine Glühbirne, die mehr im Dunkeln ließ, als sie erhellte. Es war
eine ziemlich große Scheune, ein offener Raum, bis auf drei Ställe am hinteren
Ende, die mit verschimmeltem Heu gefüllt waren. Es schien schon seit Jahren
niemand mehr dort gewesen zu sein. An den Wänden hing altes Werkzeug, außerdem
lagen ausrangierte Dinge herum wie eine alte Schubkarre, ein Rasenmäher, ein
paar Säcke Rasendünger und alte Farbdosen, die in einer Ecke
aufeinandergestapelt waren.
Die Luft
hier drin war sehr kalt und feucht und äußerst unangenehm. Tolliver machte den
Anschein, als versuche er den Atem anzuhalten. Aber das würde nicht
funktionieren.
Ich merkte
gleich, dass das eher ein Job für Xylda Bernardo war
als für mich, was ich Sheriff Rockwell auch sagte.
»Sie meinen
die Verrückte mit den rot gefärbten Haaren?«
»Sie sieht
verrückt aus«, pflichtete ich ihr bei. »Aber sie ist eine echte Hellseherin.
Und wir haben es hier nicht mit Leichen zu tun.«
»Nicht mit
Leichen?« Schwer zu sagen, ob Rockwell enttäuscht oder erleichtert war.
»Oh, ich
denke schon, dass hier Leichen liegen. Aber keine menschlichen. Man spürt die
Gegenwart des Todes, aber ich kann ihn nicht orten. Wenn Sie nichts dagegen
haben, hole ich sie dazu. Und wenn sie Ihnen sagen kann, was hier los ist,
geben Sie ihr mein Honorar.«
Rockwell
starrte mich an. Die Kälte hatte jede Farbe aus ihrem Gesicht vertrieben. Sogar
ihre Augen wirkten blass. »Gut«, sagte sie. »Und wenn sie Sie blamiert, ist das
Ihr Problem.«
Xylda und
Manfred waren überraschend schnell vor Ort. Xylda betrat die Scheune in ihrem
verlotterten, großkarierten Wollmantel, ihr langes, knallrot gefärbtes Haar
hing wirr um ihren Kopf. Sie war in jeder Hinsicht auffällig, und ihr rundes
Gesicht war dick mit Puder und Lippenstift geschminkt. Sie trug Stützstrümpfe
und Halbschuhe. Manfred war wirklich ein fürsorglicher Enkel, die meisten
jungen Männer in seinem Alter würden lieber schreiend davonrennen, als sich mit
jemandem in der Öffentlichkeit zeigen, der so verrückt aussah wie Xylda.
Xylda, die
einen Stock dabeihatte, grüßte uns nicht, ja sie schien uns gar nicht
wahrzunehmen. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, ob sie vor Monaten
auch schon einen
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