Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
nette Jungs. Naja, Tyler machte manchmal Ärger. Und Chester hat
den neuen Impala seines Vaters zu Schrott gefahren. Aber
wir waren alle zusammen in der Jugendgruppe von Mount Ida.«
»Alle?«
»Alle bis
auf Dylan, der war katholisch. Die haben ihre eigene
Jugendgruppe. Aber die anderen gingen alle in die von Mount Ida.«
Normalerweise
hätte mich diese Unterhaltung zu Tode gelangweilt, aber nicht so jetzt.
»Hast du
heute schon die Artikel in der Zeitung gelesen?«, fragte ich.
»Ja.«
»Kanntest du
die beiden Jungen von außerhalb?«
Er wirkte
überrascht. »Nein«, sagte er. »Ich habe nicht mal von ihnen gehört. Ich dachte,
das waren Tramper oder so. Von ganz weit weg.«
Ich hatte
nicht alle Artikel gelesen. Ganz weit weg, das konnte für diesen Jungen auch
Kentucky oder Ohio bedeuten. Er meinte damit nur, dass sie nicht aus North
Carolina waren.
Die junge
Mutter kam wieder heraus, mittlerweile weinte ihr Baby. Die beiden blieben kurz
vor der Rezeption stehen und gingen dann durch die Eingangstür hinaus. Ich
konnte sehen, wie der Regen stärker wurde. Sie würde zu ihrem Wagen rennen
müssen. Die Arzthelferin rief den alten Mann auf, der sich langsam und
vorsichtig erhob. Er schlurfte durch die Tür ins Allerheiligste, die Gehhilfe
vorneweg, an deren Füßen aufgeschlitzte Tennisbälle befestigt waren. Das ließ
sie fröhlicher wirken. Kaum war er durch die Tür, rief die Arzthelferin auch
schon »Rory!«. Unser Gesprächspartner sprang auf und eilte nach hinten.
Jetzt, wo
wir allein waren, hätte ich erwartet, dass Tolliver mit mir redete, aber er
lehnte sich nur zurück und schloss die Augen.
Wir müssen
ein merkwürdiges Bild abgegeben haben.
Nachdem wir
etwa zehn Minuten so dagesessen hatten, kam der alte Mann heraus. Rory eilte an
ihm vorbei, um ihm die Tür aufzuhalten. »Eine Allergiespritze«, rief er
fröhlich, während der alte Mann vorbeischlurfte. Ich wusste nicht, ob sich das
auf seinen eigenen Arztbesuch bezog oder auf den des alten Mannes, aber ich
nickte aufmunternd.
Die
Arzthelferin öffnete erneut die Tür. Sie war eine hübsche, durchtrainierte,
etwa fünfundvierzigjährige Frau mit dunklen Haaren und strahlend blauen Augen.
Sie wirkte dermaßen gesund und gut gelaunt, dass ich sie nur ansehen brauchte,
und schon ging es mir besser. »Miss Connelly«, sagte
sie, mich neugierig musternd.
Tolliver
sprang auf die Füße, um mir aufzuhelfen. Es war einfach absurd. Ich ergriff
seine Hand, und er zog mich hoch. Die Arzthelferin brachte uns in das für uns
bestimmte Sprechzimmer. Sie maß und wog mich und bestimmte meinen Blutdruck,
der in Ordnung war. Dann fing sie an, mir Fragen zu stellen. Sie betrafen
überwiegend Dinge, die bereits auf dem Formular standen oder aus meiner
Krankenhausakte ersichtlich waren.
»Sie wollen
also zu Dr. Thomason, damit er sich noch einmal ihre Verletzungen ansieht?« Sie
klang ein wenig misstrauisch.
»Ja, meine
Schmerzen sind stärker als erwartet, aber das kann auch daran liegen, dass ich,
na ja, ziemlich deprimiert bin.«
»Nun, in
Ihrem Beruf ist das wahrscheinlich... normal.«
»Entschuldigung,
aber Ihnen dürfte es doch in Dr. Thomasons Praxis auch nicht viel anders
gehen.«
»Weil die
meisten Jungen Patienten von uns waren? Ja, es ist wirklich traurig. Man hält
es nie für möglich, dass so etwas Leuten passiert, die man kennt. Und wir
kannten alle diese Jungen, obwohl einige Patienten von Dr.
Whitelaw waren.«
»Jeffs
Großmutter meinte, ihr Enkel sei auch neulich hier gewesen«, log ich.
»Oh, da
müssen Sie etwas falsch verstanden haben. Jeff geht zu Dr. Whitelaw.«
»Oh, kann
sein, das tut mir leid.«
»Kein
Problem. Ich richte Dr. Thomason nur kurz aus, dass Sie so weit sind.« Sie
eilte auf ihren weichen Gummisohlen hinaus, und noch bevor ich mir einen Reim
darauf machen konnte, kam Dr. Thomason auch schon hereingestürmt.
»Hallo,
junge Dame. Marcy hat mir erzählt, dass es Ihnen nicht so gut geht wie erhofft.
Sie wurden... erst gestern aus dem Krankenhaus entlassen? Stimmt das?« Er
schüttelte den Kopf, als bereite es ihm große Mühe, einen zeitlichen Überblick
zu behalten. »Dann wollen wir Sie mal anschauen. Kein Fieber, der Blutdruck ist
in Ordnung«, murmelte er und sah sich an, was Marcy in das Formular eingetragen
hatte. Er ignorierte Tolliver, als wäre dieser gar nicht da. Dr. Thomason
untersuchte, befühlte, betastete mich und ließ eine Frage nach der anderen los,
schien jedoch meine Antworten kaum wahrzunehmen...
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