Harper Connelly 04 - Grabeshauch
Ausbildung hatte. Sie sollte darauf achten, dass er seine Medikamente nahm,
ihn an seine Verabredungen erinnern, ihn fahren, wenn es ihm nicht gut ging, und den Arzt rufen, wenn ihr irgendwelche Warnsignale
auffielen, die man ihr aufgeschrieben hatte. Sie war eine Art menschliche Alarmanlage oder sollte es zumindest sein.«
Ich tauschte einen kurzen Blick mit Victoria. Ich war also nicht die Einzige, die so etwas wie Ablehnung aus Drex’ Monolog
heraushörte. Inzwischen war ich längst nicht mehr davon überzeugt, dass sich Victoria für Drex interessierte. Victoria spielte
ein raffinierteres Spiel, als ich es mir je hätte ausdenken und umsetzen können.
»Sie selbst sah sich jedoch in einer etwas anderen Rolle?«, fragte ich.
»Und ob! Sie sah sich wahrscheinlich als eine Art Wachhund«, sagte Drex. Er nahm einen großen Schluck von seinem Bier und
sah sich nach der Bedienung um. Dabei hatten wir erst vor wenigen Minuten bestellt.
»Warum ist Ihre Familie für ihre Beerdigung aufgekommen und hat sie in der Familiengruft bestattet?«, fragte ich. Das hatte
ich mich bereits mehrmals gefragt. »Was war mit ihren Verwandten?«
»Nach ihrem Tod haben wir ihre Sachen durchgesehen und konnten keinerlei Namen oder Adressen finden«, sagte Drex. »Lizzie
wollte wissen, was sie von ihrer Familie erzählt hätte, woher sie käme, aber niemand wusste irgendwas. Wir haben Chip gefragt,
aber keiner seiner Leute konnte sich auch nur an das Geringste erinnern.«
»Was war mit ihrer Versicherungsnummer? Als ihr Arbeitgeber musste Ihr Großvater die doch haben.«
»Er hat sie schwarz bezahlt.«
Ich staunte, dass ein Mann mit so viel Geld wie Richard Joyce so etwas tat. Die Joyces mussten doch genug Steuerberater und
Geschäftspartner haben, die sich förmlich darum rissen, ihnen zu Diensten zu sein.
Drex sagte: »Als Lizzie Mariah kennenlernte, sagte sie Granddad, dass Mariah nichts tauge. Granddad wollte, dass sie blieb,
obwohl er wusste, dass wir nicht sonderlich viel von ihr hielten. Er war nicht scharf darauf, sich nach einer anderen Lösung
umzusehen, nur um Mariah anschließend zu feuern.« Er klang defensiv, und ich verstand sehr gut, warum. Ich wechselte einen
vielsagenden Blick mit Victoria.
»Ihr Großvater hat also eine Frau eingestellt, die er nicht kannte, die er schwarzarbeiten ließ und von der er keinerlei Referenzen
besaß. Er ließ sie sogar in seinem Haus wohnen.«Verständlich, dass ich ungläubig klang. »Sagten Sie nicht, dass Sie Chip gebeten hätten, nach Mariahs Tod mit seiner Familie
zu sprechen?« Ich hörte es donnern und sah zum Fenster, gegen das der Regen schlug.
»Ja, sie kannten sie. Es war Chip, der meinem Großvater Mariah als Hilfe vorschlug.«
Eine lange Pause entstand, in der sich Drex erneut nach der Bedienung umsah und Victoria und ich unseren eigenen Gedanken
nachhingen.
Keine Ahnung, was Victoria durch den Kopf ging, aber ich für meinen Teil konnte nur hoffen, dass sich meine Familie besser
um mich kümmern würde, als es die Joyces bei ihrem Patriarchen getan hatten.
»Wie lange ist Lizzie schon mit Chip zusammen?«, fragte Victoria im Plauderton, als schnitte sie ein völlig neues Thema an.
»Oh, bestimmt schon seit Jahren. Sie kennen sich natürlich schon ewig von der Ranch. Und vom Rodeoreiten. Nach ein paar Jahren
und nach Chips Scheidung hat es Klick! gemacht. Er nahm an einem Rodeo in Amarillo teil, fing ein Kalb mit dem Lasso ein.
Und sie startete beim Tonnenrennen. Sie hatte Probleme mit ihrer Anhängerkupplung, und er hat ihr geholfen.«
»Hatte Mariah bereits für Chips Familie gearbeitet?«
»Sie waren Pflegekinder in derselben Familie, und als sie auszog, empfahl Chip sie einem entfernten Cousin. Arthur Peaden,
wenn ich mich nicht täusche. Der Cousin starb um den Zeitraum herum, in dem die Ärzte zu Granddad sagten, dass er eine Pflegerin
brauche. Chip schlug sie vor, schickte sie her, und mein Großvater mochte sie. Nachdem wir uns von der Überraschung erholt
hatten, waren wir mehr oder weniger erleichtert, dass wir keine Vorstellungsgespräche führen mussten. Und Großvater hatte
jemanden mit der notwendigenErfahrung, der keinen Kittel trug und ihn herumkommandierte. Sie sah gut aus, und sie war immer gut gelaunt. Sie war auch
eine großartige Köchin.«
Drex bekam sein frisches Bier, und Victoria stellte ihm einige Fragen, die ihn aus der Reserve locken sollten. Drex war nicht
besonders helle, und Victoria
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