Harper Connelly 04 - Grabeshauch
wollen wir das Baby finden und dafür sorgen, dass es standesgemäß aufwachsen kann«, sagte Drex.
»Sie gehen also davon aus, dass Maria Parishs Kind von Ihrem Großvater war?« Ich fand das erstaunlich und machte keinen Hehl
daraus.
»Ja, genau. Er war alt, das schon, aber er war ein ziemliches Schlitzohr. Mein Granddad hatte schon immer eine Schwäche für
Frauen.«
»Und Sie glauben, dass sich Maria Parish auf seine Avancen eingelassen hat?«
»Nun, er war sehr charismatisch, vielleicht dachte sie auch, ihr Job hinge davon ab. Granddad mochte es gar nicht, wenn man
ihm etwas abschlug.«
Wie reizend. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, und beschloss, lieber zu schweigen.
»Und, wie geht es deinem Bruder?«, fragte Victoria mit aufrichtiger Anteilnahme.
Ich war enttäuscht. Ich war mir sicher, dass mich Victoria nicht ohne Hintergedanken hergebeten hatte. Sie war gar nicht an
meiner Gesellschaft interessiert. »Es geht ihm schon deutlich besser, danke der Nachfrage«, sagte ich. »Ich hoffe, dass er
übermorgen entlassen wird.«
»Wohin fahrt ihr als Nächstes?«
»Tolliver managt unsere Aufträge. Wenn er wieder fit genug ist, werde ich unseren Terminplan mit ihm durchgehen. Wir hatten
ohnehin geplant, eine Woche zu bleiben, um unsere Familie zu besuchen.«
»Oh, Sie haben Verwandte hier?« Drex beugte sich neugierig vor.
»Ja, unsere beiden kleinen Schwestern leben hier.«
»Wer zieht sie groß?«
»Meine Tante und ihr Mann.«
»Und sie leben hier in der Nähe?«
Vielleicht war Drex einfach nur fasziniert von allem, was ich tat, doch ich nahm ihm sein Interesse nicht ab. »Verbringt Ihre
Familie viel Zeit in Dallas?«, fragte ich. »Ich habe erst neulich Ihre Schwestern getroffen, und jetzt sind Sie hier. Das
ist eine ziemliche Fahrerei.«
»Wir haben eine Wohnung hier und eine in Houston«, sagte Drex. »Auf der Ranch sind wir etwa zehn Monate im Jahr, aber ab und
zu müssen wir auch mal ein bisschen Stadtluft schnuppern. Nur Chip nicht. Er liebt es, die Ranch zu leiten. Aber Kate und
Lizzie sitzen in etwa zehn verschiedenen Vorständen, angefangen von Banken bis hin zu Wohltätigkeitsorganisationen. Und die
tagen alle in Dallas.«
»Und Sie nicht?«, fragte Victoria. »Engagieren Sie sich nicht für wohltätige Zwecke?«
Drex lachte und warf den Kopf in den Nacken. Wahrscheinlich, damit wir sein markantes Kinn aus einer anderen Perspektive bewundern
konnten. Ich fragte mich, was er wohl tat, wenn er eines Tages kein so straffes Kinn mehr besäße. Ich weiß aus Erfahrung,
dass im Grab niemand mehr gut aussieht.
»Die meisten Organisationen, Victoria, sind schlau genug, mich nicht in ihren Vorstand zu holen«, sagte er augenzwinkernd.
Einer von den guten alten Millionärssöhnchen. »Ich kann nicht gut stillsitzen, und wenn ich mir die ganzen Reden anhören müsste,
würde ich sofort einschlafen.«
Wie konnte Victoria diesen Mist bloß ertragen? Sie sah aus, als fände sie dieses Arschloch tatsächlich charmant.
»Aber um auf unser Gespräch von vorhin zurückzukommen, Victoria, wie läuft es mit der Suche?«, fragte Drex wie ein Mann, der
nach einem Späßchen gezwungen ist, wieder zum geschäftlichen Teil überzugehen.
»Ziemlich gut, würde ich sagen«, erwiderte Victoria, und ich wurde sofort hellhörig. Victoria klang ruhig und kompetentund mehr als nur ein bisschen vorsichtig. »Ich stelle gerade Mariahs vollständige Biografie zusammen, was schwieriger ist,
als ich dachte. Was haben Sie denn für Erkundigungen über sie eingezogen, bevor sie als Pflegerin für Ihren Großvater engagiert
wurde?«
»Ich glaube nicht, dass Lizzie irgendwelche Erkundigungen eingezogen hat«, sagte Drex aufrichtig überrascht. »Ich glaube,
mein Großvater hat sie eingestellt. Als wir davon erfuhren, lebte Mariah längst im Haus.«
»Aber Sie hatten überlegt, eine Pflegerin für ihn zu engagieren?«, fragte Victoria.
»Er brauchte jemanden, der mehr war als nur eine Haushälterin, aber weniger als eine Krankenschwester«, sagte Drex. »Er brauchte
eine Hilfe. Im Grunde war sie so etwas wie ein Kindermädchen. Sie achtete darauf, dass er sich gesund ernährte, und versuchte,
seinen Alkoholkonsum zu kontrollieren. Aber er wäre ausgeflippt, wenn wir sie so genannt hätten. Sie hat ihm auch täglich
den Blutdruck gemessen.«
Victoria hakte nach. »War Mariah eine ausgebildete Krankenschwester?«
»Nein, nein. Ich glaube nicht, dass sie irgendeine
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