Harper Connelly 04 - Grabeshauch
Verdacht, dass Parker schon länger nicht mehr trainiert hatte. Anscheinend
waren die Shorts und das Sweatshirt seine Klamotten fürs Fitnesscenter, denn ich konnte das Spiel seiner Muskeln sehen, obwohl
er einen leichten Bauchansatz hatte. Ich merkte, dass ihn das Training nicht gerade begeisterte, aber er genoss es, mich zu
beobachten.
»Fertig?«, fragte ich, und er nickte verbissen. Er machte eher den Eindruck, als wartete die Guillotine auf ihn statt eine
angenehme abendliche Joggingrunde.
Und schon ging es los, den Bürgersteig hinunter und anmehreren Häuserblöcken vorbei. Es folgten weitere Häuserblöcke und das Highschoolgelände. Die Straßenbeleuchtung war ausgezeichnet,
und alle schienen zu Hause zu sitzen. Es war kühl, und überall standen noch Pfützen vom vorherigen Regenguss. In regelmäßigen
Abständen fuhren Autos vorbei, einige schneller als erlaubt, andere extrem langsam. Aber da es einen Bürgersteig gab, war
das keinerlei Problem. Ich fragte mich, ob einige Fahrer meinen Laufpartner erkannten.
Die frische Luft tat mir gut. Ich lief in einem gemächlichen Tempo, genoss die Dehnung in den Beinen und meinen erhöhten Puls.
Die Aschenbahn der Highschool war von einem hohen Zaun umgeben, das Tor war natürlich verschlossen. Ich führte meinen Laufpartner
über die Straße auf den großen Parkplatz voller Schulbusse. Parker hielt mit mir Schritt. Ich warf ihm einen flüchtigen Seitenblick
zu und sah, dass er selbstzufrieden lächelte. Ich beschleunigte mein Tempo, und das Lächeln verblasste schnell. Nachdem wir
eine Weile richtig gelaufen waren, rang Parker nach Luft. Das Einzige, was ihn noch antrieb, war sein Stolz.
Aber auf dem nächsten Kilometer verließ ihn auch der. Es gab drei Reihen mit Bussen, und wir waren von der Straße bis ans
Ende der ersten Reihe gelaufen und dann auf der anderen Seite wieder zurück. Jetzt umrundeten wir gerade die zweite Reihe,
um wieder bis ans Ende zu laufen. Ich war so richtig in Schwung und fühlte mich prima, aber Parker blieb stehen und stützte
sich schwer atmend auf die Oberschenkel. Ich lief auf der Stelle weiter. Er gab mir ein Zeichen, dass ich weiterlaufen sollte.
»Bleiben Sie in Sichtweite«, sagte er, wobei er jedes Wort einzeln hervorstieß.
Ich winkte ihm zu und lief weiter. Ich lief nur halb so gut wie mein Bruder, aber an jenem Abend fühlte ich mich, verglichen
mit Parker, leicht wie eine Feder. Ich musterte die stumme Reihe Busse, roch die Pfützen und den Asphalt, dender Abendregen gereinigt hatte. Ich blickte kurz über die Schulter und merkte, dass mir Parker in einem ordentlichen Tempo
folgte. Doch so langsam verließ ich den Bereich, der sich noch in seiner Sichtweite befand. Mit leichtem Bedauern umrundete
ich die letzte Reihe Busse nicht, sondern machte kehrt und nahm die Strecke, die ich gekommen war. Hinter den Bussen musste
noch eine andere Straße verlaufen, denn ich hörte aus dieser Richtung ein langsam fahrendes Auto. In diesem Moment folgten
mir Autoscheinwerfer, die Parkers Gesicht erhellten und meinen langen Schatten vor mir auf den Asphalt warfen. Angst stieg
in mir auf, und ich wurde langsamer, weil ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Das Geräusch hinter mir stammte
eindeutig von einem Motor im Leerlauf … aber es kam näher.
Der Detective war zwar geblendet, steigerte aber sein Tempo und rannte auf mich zu. Als er näher kam, griff er unter sein
Sweatshirt und zog eine Waffe. Ich begriff nicht gleich und glaubte, er würde auf mich schießen. Ich zögerte. Das Motorengeräusch
kam näher.
» Laufen Sie!
«, brüllte er mich an.
Ich verstand rein gar nichts, wurde aber immer schneller. Meine Arme sausten durch die Luft, wie um Schwung zu holen. Als
ich ihn erreicht hatte, stieß mich Parker zwischen zwei Busse und wirbelte mit seiner schussbereiten Waffe zu dem herankommenden
Wagen herum. Der Wagen brach zur Seite aus, wahrscheinlich, weil der Fahrer die auf ihn gerichtete Waffe bemerkte. Dann beschleunigte
er mit quietschenden Reifen, schlingerte vom Parkplatz und brauste davon.
»Was war denn das?«, sagte ich. »Was war das?« Ich sprang zwischen den Bussen hervor, um meinem Retter gegenüberzutreten,
und breitete die Arme aus.
» Was war das?«,
schrie ich.
»Eine Morddrohung«, sagte er, und sein Atem ging immernoch unregelmäßig. »Wir haben heute eine Morddrohung gegen Sie erhalten. Ich wollte nicht, dass sie allein laufen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher