Harper Connelly 04 - Grabeshauch
(wie ich aus Erfahrung wusste). Er
war jünger als ich, ungefähr einundzwanzig, intelligent und auf eine schräge Art gut aussehend.
»Hallo, Manfred«, sagte Tolliver. »Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber ich freue mich, dich zu sehen.«
11
Manfred schien ein wenig beleidigt zu sein, weil ich mich gegen sein Angebot, mich zu begleiten, zunächst gesträubt hatte.
»Kann ich mich nicht irgendwie nützlich machen?«, fragte er, wobei seine blauen Augen sehr verloren wirkten.
»Manfred«, hob ich erschöpft an. »Ich weiß einfach nicht, wie.«
»Ich hätte da schon die eine oder andere Idee«, erwiderte er und wackelte mit den Augenbrauen. Er gab vor zu scherzen, meinte
es aber todernst. Hätte ich ihm auch nur ansatzweise Hoffnungen gemacht, hätte Manfred uns ein Hotelzimmer gebucht, so schnell
er sein Portemonnaie zücken konnte.
Leider hätte ich dieses Zimmer selbst bezahlen müssen, denn sein Portemonnaie war bestimmt leer. Keine Ahnung, wie Manfred
über die Runden kam. Seine Großmutter, Xylda Bernardo, war eine verrückte alte Schwindlerin gewesen. Trotzdem hatte sie tatsächlich
eine hellseherische Gabe besessen. Sie stand ihr nur nicht immer zur Verfügung, wenn sie sie brauchte. Wenn sie keine Stimme
hörte, pflegte sie sich eine auszudenken. Sie konnte mehr schlecht als recht davon leben. Sie neigte zur Theatralik, was allerdings
wenig überzeugend gewirkt hatte.
Manfred war da schon wesentlich geschickter. Auch er besaß die Gabe. Ich wusste nicht, wie weit Manfreds hellseherische Fähigkeiten
reichten, aber wenn er sie genügend ausgelotet und sich darin geübt hätte, würde er bestimmtgutes Geld damit verdienen können. Aber soweit ich wusste, war er noch nicht so weit.
»Als Erstes muss ich zurück ins Hotel, duschen und mich umziehen«, sagte ich und ignorierte seine anzügliche Bemerkung. »Anschließend
werden wir zu einem anderen Krankenhaus aufbrechen, in dem Detective Powers liegt.«
»Der Dallas Cowboy? Parker Powers?« Manfred begann zu strahlen. »Ich habe in ›Sports Illustrated‹ über ihn gelesen, damals,
als er Polizist wurde.«
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Footballfan bist«, sagte ich. Das Leben hält doch immer wieder neue Überraschungen bereit.
»Machst du Witze? Ich
liebe
Football. Ich habe auf der Highschool selbst Football gespielt.«
Ich beäugte ihn misstrauisch.
»He, lass dich nicht von meiner Größe täuschen«, sagte Manfred. »Ich kann rennen wie der Wind. Und es war eine kleine Highschool,
sie hatten also keine große Auswahl«, fügte er der Ehrlichkeit halber hinzu.
»Auf welcher Position hast du gespielt?«
»Ich war
Tight End
.« Das kam wie aus der Pistole geschossen. Was Football anging, verstand Manfred keinen Spaß.
»Das ist ja interessant«, sagte ich aufrichtig. »Manfred, ich wechsle nur ungern das Thema, aber warum hast du beschlossen,
die weite Fahrt hierher zu machen, obwohl ich dir gesagt habe, dass ich schon klarkomme?«
»Ich hatte das Gefühl, dass du in Schwierigkeiten steckst«, antwortete er. Er warf mir einen flüchtigen Seitenblick zu und
schaute dann wieder geradeaus durch die Windschutzscheibe seines Wagens. Wenn wir verfolgt würden (was ich mir nach wie vor
kaum vorstellen konnte), würde sein verbeulter Camaro den Stalker vielleicht abschütteln.
»Und das konntest du tatsächlich sehen?«
»Ich habe gesehen, wie jemand auf dich schoss«, sagte er und wirkte plötzlich wie um Jahre gealtert. »Ich habe dich fallen
sehen.«
»Wusstest du … Du wusstest also nicht, ob ich noch lebte, als du in Tollivers Zimmer kamst?«
»Na ja, ich habe die Nachrichten gesehen, und es war nicht die Rede davon, dass du ermordet worden wärst. Ich hörte nur, dass
ein Polizist aus Garland angeschossen worden sei. Seinen Namen haben sie da noch nicht herausgegeben. Ich habe gehofft, dass
es dir gutgeht, wollte mich aber lieber persönlich davon überzeugen.«
»Und deshalb bist du den ganzen weiten Weg hierher gekommen.« Ich schüttelte erstaunt den Kopf.
»So weit war es auch wieder nicht«, sagte Manfred.
Eine kurze Pause entstand, und ich wartete, bis er weitersprach.
»Na gut, du hast mich neugierig gemacht«, sagte ich. »Wo warst du?«
»In einem Motel in Tusla«, sagte er. »Ich hatte dort einen Auftrag.«
»Du bist jetzt offiziell in dem Geschäft tätig?«
»Ja. Ich habe eine Webseite, das volle Programm.«
»Wie läuft’s?«
»Die Beantwortung
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