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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht anders, sie mußte einfach darüber nachdenken. Was wollte sie denn genau? Einen netten, gutaussehenden, intelligenten, aufmerksamen, fürsorglichen, liebevollen Flügelkoboldmann. Aber so war nun einmal kein Koboldmann. Weshalb sollte ein geflügelter da anders sein? Sie war eine Närrin, davon auszugehen, daß ein so idealer Mann überhaupt existierte oder jemals würde existieren können.
    Dennoch hatte Crombie in eine bestimmte Richtung gezeigt. Das legte die Vermutung nahe, daß es doch einen solchen Mann geben mußte. Aber wie ließ sich das miteinander vereinbaren?
    Sie wünschte sich, sie könnte eine Lösung finden, wo sie doch fürchten mußte, daß es keine gab. Der Magier Trent glaubte also, daß sie der ›Selbstentdeckung‹ bedurfte. Dabei war sie doch ganz zufrieden mit sich selbst. Es waren nur ihre Lebensaussichten, die der Verbesserung bedurften. Wußte Trent das etwa nicht? Was nützte denn die Selbsterkenntnis, wenn sie anschließend den Rest ihres bedauernswerten kleinen Lebens in Einsamkeit würde zubringen müssen? Sie würde es sehr viel lieber mit jemandem wie Trent verbringen. Bis auf seine Körpergröße und das Fehlen der Flügel entsprach er in jedem Punkt dem Idealbild.
    Gloha sah etwas am Boden liegen, unmittelbar am Außenrand des offenen Erholungsgebiets. Es sah aus wie ein Stück Puffmais, hatte aber die falsche Farbe. Puffmais hätte normalerweise buttergelb oder karamelbraun sein müssen. Dieser hier aber war hellrot.
    Sie ging darauf zu und nahm ihn auf. Er sah tatsächlich aus wie Puffmais. Sie schnüffelte daran. Er roch auch wie Puffmais. Sie kostete ihn. Es war tatsächlich Puffmais!
    Gloha schaute sich um. Da erspähte sie ein weiteres Stück, unmittelbar am Außenrand des Tals der Faune und Nymphen. Es war blau. Sie hob es auf und verzehrte es ebenfalls. Es war ganz zweifellos Puffmais, und es schmeckte sehr gut. Hätte sie die Augen geschlossen, hätte sie nicht sagen können, welche Farbe er hatte; er schmeckte ganz genau wie normaler, frischer Puffmais.
    Jetzt stand sie am Rand des Erholungsgebiets. Die Faune und Nymphen waren immer noch zugange, jagten einander und bemühten sich begeistert, jeden Storch Xanths herbeizurufen. Seltsam, daß sie noch gar nicht begriffen zu haben schienen, daß es nicht funktionierte. Aber natürlich bedurfte es ja auch einer gewissen Zeit, bis der Storch seine Fracht ablieferte, und da diese Wesen sich nur an den jeweils letzten Tag zu erinnern vermochten, lernten sie nie daraus. Damit war ihr Verhalten erklärt, nicht jedoch, weshalb es so wenige Nymphen gab. Trent glaubte, daß dieses Rätsel mit Glohas Suche nach dem idealen Mann zusammenhängen könnte. Doch wie sollte das sein? Vielleicht machte Trents wirkliches Alter ihn ja langsam senil, trotz seines verjüngten Körpers.
    Nun war kein weiterer gefärbter Puffmais mehr zu sehen. Eigentlich schade. Er hatte köstlich geschmeckt und Gloha vorübergehend von ihren Sorgen abgelenkt.
    Sie machte kehrt, wollte ins Lager zurück. Da erblickte sie doch noch ein Stück Puffmais, diesmal ein grünes. Und dahinter ein purpurfarbenes. Genaugenommen war da sogar eine ganze Spur aus Puffmais – Gloha hatte sie schräg von der Seite gekreuzt und deshalb nur die letzten beiden Stücke entdeckt.
    Sie ging hinüber und aß den grünen und den purpurnen Puffmais; sie schmeckten genauso köstlich wie die beiden anderen Stücke. Dann folgte sie der Maisspur über den abzweigenden Pfad durch den Wald. Wie waren diese bunten Leckerchen hierher geraten? Hatte vielleicht jemand eine Tüte dabeigehabt und sie verloren? War die Spur auf diese Weise entstanden? Falls dem so war, sollte Gloha den Betreffenden am besten einholen und ihm raten, das Loch in der Tüte zu stopfen, bevor er noch alles verlor.
    Sie kam unter einem weit gespreizten riesigen Eichelbaum vorbei, den Blick auf die Spur geheftet. Plötzlich senkte sich ein Netz über sie. Gloha war so überrascht, daß sie sogar zu schreien vergaß. Sie stand einfach nur benommen da und wunderte sich über das Geschehen. Dann versuchte sie, die Flügel auszubreiten, um wegzufliegen, doch sie verhedderten sich natürlich sofort im Netz.
    Neben ihr sprang ein häßlicher Mann zu Boden. Er griff nach ihr. Seine Hände waren riesig und verknorpelt.
    Jetzt fiel es ihr wieder ein, zu schreien. Sie holte tief Luft, öffnete den Mund: »Jii-ee!«
    Er schlug ihr die Hand über den Mund und erstickte ihren Schrei. Dann schlang er ihr ein Kopftuch ums Gesicht

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