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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
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Trent und Mark stiegen auf. Griesbogen hob sie bis auf Kopfhöhe, dann stapfte er vorsichtig auf das Gebirge zu.
    Sie hatten zuerst mit Verwunderung, dann mit Beunruhigung auf Glohas Verschwinden reagiert. Gerade war sie noch dort gewesen, auf dem Weg in das Erholungsgebiet, und dann war sie plötzlich nicht mehr wiedergekehrt. Trent war der erste gewesen, der sich Gedanken gemacht hatte, weil es ja auch seine Aufgabe gewesen war, dafür zu sorgen, daß dem süßen kleinen Geschöpf nichts zustieß. Vielleicht hatte Gloha ja einen Seitenpfad genommen, um einem Ruf der Natur zu folgen. Doch je mehr Zeit verstrich, um so mehr wurde ihnen klar, daß irgend etwas nicht stimmte. Kein Zweifel – Gloha war verschwunden.
    Von einem Gewirrbaum war sie nicht eingefangen worden, weil sie sämtliche Gefahren dieser Art in der Umgebung bereits geortet hatten, und außerdem war Gloha zu klug, um sich in die Nähe eines solchen Unwesens zu begeben. Dasselbe galt auch für Drachen und andere Landungeheuer. Auch, was Flügelungeheuer betraf, brauchte Gloha sich keine Sorgen zu machen, weil sie ja selbst eins war. Bei diesem Gedanken mußte Griesbogen lächeln; diese Bezeichnung schien das Mädchen überhaupt nicht zu bekümmern, sie sah darin nichts anderes als eine nüchterne Tatsachenbeschreibung. Trent war ein Menschenmann, Griesbogen ein menschlicher Riese, Mark Knochen ein wandelndes Skelett, Metria eine Dämonin, und Gloha war eben ein Flügelungeheuer. Dieser Mangel an Geziertheit gehörte zu ihren vielen liebenswürdigen Eigenschaften. Darüber hinaus war sie hübsch, nett, feinfühlig und fürsorglich. Der Mann, der sie bekommen würde, konnte sich glücklich schätzen.
    Griesbogen erinnerte sich, wie Gloha ihn während der Theateraufführung vor den Fluchungeheuern geküßt hatte. Der Gedanke, daß eine winzige Prinzessin einen Riesen heiraten könnte, war natürlich lächerlich, aber das Stück hatte ja auch nur der Unterhaltung gedient und gar nicht den Anspruch erhoben, realistisch zu sein. Am Schluß war Gloha vor sein Gesicht spaziert und hatte ihm einen köstlichen kleinen Kuß auf die Oberlippe gepflanzt. Irgend jemand im Publikum hatte zwar laut gelacht, doch Griesbogen hatte dieser Kuß wirklich sehr gefallen.
    Überhaupt gefiel ihm Gloha wirklich, und er wäre untröstlich, sollte ihr irgend etwas zustoßen. Er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um sie aus möglichen Schwierigkeiten zu retten. Doch zunächst einmal mußten sie Gloha finden. Griesbogen versuchte den Gedanken zu unterdrücken, daß es für Hilfe möglicherweise schon zu spät sein könnte. Er mußte sich an die Hoffnung klammern, daß dieser zaghafte leise Schrei von Gloha stammte, damit sie die Kleine aus welcher mißlichen Lage auch immer befreien konnten.
    Da erschien Metria wieder. »Ich habe meine Rauchgestalt angenommen und bin durch die Wälder geschwebt«, berichtete sie. »Ich habe zwar ein paar gewöhnliche Kobolde entdeckt, aber keine geflügelten. Ich glaube nicht, daß sie dort sind.«
    »Dann können wir nur hoffen, daß Gloha noch einmal schreit«, sagte Trent.
    »Falls es überhaupt ihr Schrei war«, versetzte die Dämonin mit dämonischer Logik. »Vielleicht hat der Riese sich den Schrei nur eingebildet.«
    »Im Augenblick bleibt das immer noch unsere beste Spur«, erwiderte Trent scheinbar unbekümmert. Doch Griesbogen hatte begriffen, daß der Magier immer dann, wenn er am wenigsten berührt zu sein schien, seine Reaktionen am stärksten zu zügeln pflegte. Wenn irgend jemand den Fehler begehen sollte, zu glauben, daß man diesen sanft wirkenden Mann ignorieren oder achtlos beiseite schieben könnte, würde der Betreffende sich höchstwahrscheinlich schon bald in ein Stinkhorn verwandelt wiederfinden. In Wirklichkeit war der Magier nämlich ein sehr alter Mann, der nur für diese Suche verjüngt worden war, und verfügte dementsprechend auch über die Erfahrung und Selbstbeherrschung des Alters. Griesbogen hegte großen Respekt für ihn.
    Der Riese baute sich vor den Bergen auf. Die waren nur ein kleines bißchen größer als er, aber dafür um einiges wuchtiger. Er blickte auf den Waldteppich hinab, der sie bedeckte. Alles war ruhig. Hatte er sich vielleicht doch geirrt, was die Richtung anging, aus der der Schrei ertönt war? Hatte er ihn sich vielleicht doch nur eingebildet? War es möglich, daß er Glohas Freunde an die falsche Stelle geführt hatte, während sie in Wirklichkeit ganz woanders in schrecklicher Gefahr

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