Harpyien-Träume
Flügeln gepolstert, erstaunlich bequem war, dennoch fehlte irgend etwas. Sie konzentrierte ihren winzigen kleinen Verstand, der diesen Gedanken vor ihr zu verbergen trachtete, bis sie ihn schließlich erwischte. Sie war unzufrieden, weil sie allein schlafen mußte. Am liebsten hätte sie sich an einen geflügelten Koboldmann gekuschelt. Also versuchte sie, sich einen vorzustellen. Merkwürdig daran war nur, daß er das Gesicht und die Gestalt des Magiers Trent besaß. Sie wußte, daß es töricht war, kam aber nicht mehr dazu, das Bild zu ändern. Denn sie entspannte sich schnell und schlief schon so bald ein, daß es schien, als bräche der Morgen bereits an, noch bevor der Abend geendet hatte.
Am Morgen stand sie auf und streckte die Flügel. Dann ging sie zur Tür und drehte an der daran befestigten Kniescheibe. Die Tür schwang in ihren glatten Gelenken auf, und Gloha blickte auf ein aschiges Panorama.
Auf seine Art war es wunderschön. Alle Unregelmäßigkeiten der Landschaft waren geglättet. Es sah aus wie ein sanft wogendes, aber erstarrtes Meer. Der Berg selbst war ruhig, nur um seinen Gipfel trieben weiße Wolkenfetzen. Alles sah friedlich aus.
»Ich habe euch Hüte gefertigt«, sagte Mark von innen.
Erschreckt fuhr Gloha herum. Sie hatte ganz vergessen, daß Mark ja gar nicht zu schlafen pflegte.
»Danke.« Sie nahm den breitkrempigen geflochtenen Knochenhut entgegen, den er ihr darbot, und setzte ihn auf. Er war am Scheitel mit Asche verziert, so daß er von oben wie ein gewöhnliches Stück Asche aussehen mußte.
Gloha trat ins Freie. Die Asche reichte ihr bis zum Knie, und so breitete sie die Flügel aus und überflog sie. Der Berg reagierte nicht – entweder zeigte der Hut seine Wirkung, oder Pin-A-Tuba schlief gerade. Sie entdeckte eine geeignete Senke, landete und holte die eine oder andere Körperfunktion nach, die man am besten allein erledigte. Dann kehrte sie im Flug zur Knochenhütte zurück.
Trents Spuren führten hinter das Haus. Natürlich wäre Gloha nie so aufdringlich gewesen, entsprechende Überlegungen anzustellen, doch es war durchaus möglich, daß Trent auf der Suche nach einer ähnlichen Senke war.
Sie betrat das Knochenhaus. Drinnen stand ein Zuckerpflaumenstrauch. Wie aufmerksam von dem Magier! Gloha pflückte sich die süßeste Pflaume und aß sie zum Frühstück.
Dann machten die Gefährten sich mit ihren Aschehüten auf den Weg. Der Vulkan schien nicht allzu klug zu sein, denn er bemerkte sie nicht. Sie kehrten zu ihrem ursprünglichen Weg zurück und folgten ihm nun dem Berg entgegen, weil es keine andere Strecke gab.
Pin-A-Tuba stieß ein paar hallende Baßtöne aus, als sie sich ihm näherten, und ließ auch etwas Rauch entweichen. Doch es war nur eine Art Herumwälzen im Schlaf; die Aschehüte verbargen die Gefährten gut genug, um den Berg nicht aus seinem Schlummer zu wecken. Sie marschierten um seinen Fuß herum und hielten sich dann nach Süden.
»Puh!« machte Gloha. »Ich hatte schon Angst, der alte Pin-A-Tuba würde es merken und uns wieder mit Asche zuhageln.«
Der Boden erbebte. Ein plötzliches Rumpeln fuhr den Bergkegel hinauf. Der Gipfel spie eine zornige Rauchsäule aus.
»Hoppla«, sagte Gloha. »Er hat mich gehört.«
»Bewegung!« sagte Trent nur.
Sie eilten den Weg entlang. Doch sie waren noch nicht außer Reichweite des Bergs. Das Grollen wurde furchtbar, und an der Kegelseite öffnete sich ein riesiger, häßlicher Spalt. Purpurnes Gas wälzte sich heraus und kam auf sie zu.
»Ich glaube, ihr Lebenden tätet gut daran, diesem Dampf aus dem Weg zu gehen«, warf Mark höflich ein. »Ich habe gelegentlich mit angesehen, wie er Lebewesen umhüllte.«
»Oh! Und was ist dann passiert?« erkundigte sich Gloha.
»Dann habe ich mir aus ihren Überresten meinen Knochenvorrat für den Hausbau beschafft, als der Dampf sich verflüchtigt hatte.«
»Alles klar«, sagte Trent und fing an zu laufen. Doch der Weg führte nun einen Hang hinunter, und die Gaskugel rollte schneller, als er laufen konnte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie die Gefährten eingeholt hatte.
Gloha breitete die Flügel aus, zögerte aber. Sie hätte das Gas überfliegen können, doch das hätte Trent auch nicht viel genützt.
»Mir kann es natürlich nichts anhaben«, sagte Mark, das Tempo haltend. »Solltet ihr irgendwelche Notmaßnahmen ergreifen können, dann macht hin!«
»Ich werde dich verwandeln müssen«, schnaufte Trent, an Gloha gewandt. »Dann kannst du
Weitere Kostenlose Bücher