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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
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erwiesen ihm auch eine gewisse Zuneigung. Sie ließen ihn an einen Ort bringen, wo man Leute reparierte und verband, damit er nicht verblutete. Das bremste seine Malerei ein wenig.
    Trent dagegen ging es besser. Er lernte den Maler kennen, vielleicht, weil jeder der beiden auf seine Weise als verrückt galt. Inzwischen konnten sie sich auch unterhalten. Was Trent dem Mann von den Wundern seiner Heimat erzählte, würde dem Maler niemand glauben, wenn er es woanders zum besten geben sollte. Vielleicht tat er es sogar, denn im Frühjahr begab er sich an einen besonderen Ort für verrückte Leute. Er malte immer weiter, und wenn er nicht hinausgehen konnte, malte er Bilder von sich selbst und anderen, die dort lebten, ja, sogar von erfundenen Figuren.
    Gloha erschrak, als sie sah, wie er ein Bild von ihr malte, komplett mit Flügeln, obwohl sie hier doch gar keine besaß. Entweder hatte Trent ihm davon erzählt – nein, das war nicht möglich, denn das Ganze fand ja statt, bevor Gloha überhaupt existierte! –, oder der verrückte Maler konnte irgendwie sehen, ohne zu sehen.
    Trents Frau bestellte ein Kind – auf jene Weise, wie Mundanier es zu tun pflegten. Das fand Gloha höchst seltsam, denn ein Storch kam nicht dabei vor; statt dessen… egal. Im mundanischen Jahr 1889 traf das Kind jedenfalls ein; es war ein Junge, und ab und zu schlüpfte Gloha in seinen Körper. Doch ihr Hauptaugenmerk galt dem verrückten Maler, der im Augenblick viel interessanter war. Er verließ schließlich das Irrenhaus und begab sich in eine andere Stadt, wo sich ein mundanischer Heiler namens Doktor um ihn zu kümmern versuchte. Das schien zwar nicht viel zu nützen, doch immerhin mochte der Maler die schlanke, liebliche Tochter des Heilers. Plötzlich befand sich Gloha im Körper dieses Mädchens, das genauso alt war wie sie, nämlich neunzehn, und der Maler malte sie in einem Garten, später auch dabei, wie sie eine Musikmaschine namens Klavier bediente. Und dann, ganz plötzlich, brachte er sich um.
    Schockiert kehrte Gloha zu Trents Familie zurück. Die entwickelte sich ganz normal. Sie sah, wie der kleine Junge heranwuchs. Aber das Ganze war ziemlich langweilig; Gloha hatte sich von dem verrückten Maler ablenken lassen, und nun, da er fort war, wollte sie diese Szene verlassen. Und so sprang sie so schnell weiter, wie sie nur konnte und sah, wie der Junge zu einem Halbwüchsigen wurde. Er war schon fast ein Mann. Da kam plötzlich eine schlimme Krankheit, worauf Trents Frau und sein Sohn starben…
     
    »Oh!« rief Gloha. »Das war ja scheußlich!«
    »Ja«, stimmte Trent ihr zu. »Sie war die einzige Frau, die ich je geliebt habe, und er war mein einziger Sohn. Da blieb mir nichts anderes übrig, als nach Xanth zurückzukehren, wo ich größere Macht hatte. Aber das war eine andere Geschichte.«
    »Dieser verrückte Maler…«, sagte Gloha.
    »Den habe ich auch gemocht. Er hieß…« Trent überlegte und versuchte, sich nach dieser langen Zeit an den Namen zu erinnern. »Go. Van Go. Irgendwas in der Art. Ich glaube, nach seinem Tod haben die Leute angefangen, sich für seine Bilder zu interessieren. Aber während er lebte, hielten ihn alle für verrückt. Aber das war er gar nicht. Er hatte lediglich starke künstlerische Leidenschaften. Er hatte Verständnis für Xanth, und er war auch der einzige, der mir glaubte. Deshalb habe ich ihn auch gemocht.« Er seufzte.
    »Und das Mädchen, das er gemalt hat, kurz vor Schluß? Das Mädchen, das die Musik spielte?«
    »Die Tochter des Arztes, Marguerite. Ein nettes Mädchen. Genau wie du.«
    »Das ist merkwürdig«, sagte Mark. »Ich bin noch nie ein verrückter mundanischer Maler gewesen. Wenn ich zu solchen Gefühlen fähig wäre, hätte ich bestimmt große Zuneigung für den Mann empfunden.«
    »Er hatte auch Zuneigung verdient«, erwiderte Trent. »Hätte er in Xanth gelebt, hätte die Magie ihm vielleicht helfen können. Hier wäre er möglicherweise erfolgreich und glücklich geworden. Statt dessen mußte er mit dem Leben in Mundania zurechtkommen.«
    »Und das hat er nicht geschafft«, ergänzte Mark.
    »Ich weiß nicht, wie überhaupt jemand mit diesem öden Mundania zurechtkommt«, meinte Metria. »Keine Magie, keine Dämonen. So was wie mich gibt's dort gar nicht.« Sie zögerte. »Und doch war da eine gewisse Ambiguität des Gefühls.«
    »Eine gewisse was?« fragte Gloha.
    »Zweifel, Ungewißheit, Unbestimmtheit, Vagheit, Mehrdeutigkeit…«
    »Ich glaube, ihr erstes Wort

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