Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
leid“, sagte ich schließlich.
Martin sah über die Köpfe der anderen Gäste hinweg. Ich war froh, dass wir in einer der kleinen Nischen saßen, die das Beef’N’More zu einem zumindest passablen Speiselokal machten.
„Es gibt etwas, worüber ich mit dir reden will“, sagte er nach einem Augenblick. Das Thema Barrett war augenscheinlich beendet.
Ich veränderte meinen Gesichtsausdruck zu „gespannt“.
„Die Wohnung über der Garage“, sagte er.
Ich hob meine Brauen noch höher.
„Ein Freund von mir ist gerade aus Florida in die Stadt gekommen. Er hat seinen Arbeitsplatz verloren. Er und seine Frau sind sehr tüchtige Leute. Ich habe mich gefragt, ob sie – falls es dir nichts ausmacht – in der Wohnung über der Garage wohnen könnten.“
„Klar“, sagte ich. Ich hatte noch nie einen Freund von Martin getroffen, einen alten Freund. Er hatte hier ein paar Kontakte geknüpft, überwiegend im Sportstudio, Männer aus den oberen Firmenetagen wie er selbst. „Du kennst ihn aus …?“
„Aus Vietnam“, sagte er.
„Wie heißt der Mann?“
„Shelby. Shelby Youngblood. Ich dachte … bei den ganzen Renovierungsarbeiten … könnte es nett sein, noch jemanden im Haus zu haben. Shelby wird vermutlich bei Pan-Am Agra im Versand und in der Warenannahme arbeiten, aber Angel, seine Frau, könnte da sein, wenn er nicht da ist.“
„Gut“, sagte ich mit dem Gefühl, mir wäre etwas Wichtiges entgangen.
„Als ich erfuhr, dass Barrett nicht kommen kann“, sagte Martin, als wäre es ihm nachträglich eingefallen, „habe ich deinen Stiefvater angerufen, und er hat zugestimmt, mein Trauzeuge zu sein.“
Ich lächelte erfreut. Es war in vielerlei Hinsicht einfacher, einen älteren Mann zu heiraten, der es gewohnt war, sich selbst um alles zu kümmern. „Gute Idee“, sagte ich, da ich wusste, dass John sich über die Frage sicher gefreut hatte.
Wir trennten uns auf dem Parkplatz. Er fuhr zurück zur Arbeit und ich ging in meinen Lieblingsladen für Farben, Bodenbeläge und Tapeten, Total House, um mit der Aufgabe zu beginnen, aus dem Julius-Haus unser Haus zu machen. Aber auf halbem Wege dorthin fuhr ich an den Bordstein und starrte vor mich hin, während mein offenes Fenster die kühle, frische Luft einließ.
Martin hatte mich mit seiner Geheimniskrämerei überlistet.
Wer zum Henker war dieser Shelby Youngblood? Was für eine Person war seine Frau? Was für einen Arbeitsplatz hatte er in Florida verloren, und woher wusste er, wie er Martin erreichen konnte? Ich trommelte grübelnd mit den Fingern auf dem Lenkrad.
Das war vermutlich die Kehrseite davon, einen älteren Mann zu heiraten, der es gewohnt war, sich selbst um alles zu kümmern. Er war es nicht gewohnt, sich rechtfertigen zu müssen, und dennoch hatte Martin es verdient, über seine Vergangenheit schweigen zu dürfen, dachte ich verwirrt; ich erzählte ihm ja auch nicht alles … nein! Ich hatte ihm alles erzählt, was für unser Zusammenleben wichtig war. Ich wollte nicht die Namen seiner Sexualpartnerinnen der vergangenen Jahre wissen, die er natürlich für sich behalten konnte. Aber ich hatte ein Recht, nicht wahr, ein Recht auf ja, worauf eigentlich? Was machte mir solche Angst?
Wir kannten einander noch nicht so lange, sagte ich mir. Martin hatte noch ausreichend Zeit, mir all die harten, düsteren Passagen aus seiner Vergangenheit zu erzählen, die er mich wissen lassen wollte.
Ich würde Martin heiraten. Ich ließ mein Auto an und fuhr zurück in den bescheidenen Verkehrsstrom, der Lawrencetons mittägliche Rush Hour darstellte.
„Denn“, drang eine sachte, kalte, unerbittliche Stimme aus meinem Hinterkopf, „wenn du ihn wirklich gefragt hättest und er es dir erzählt hätte, hättest du vielleicht etwas erfahren, weswegen du die Hochzeit hättest abblasen müssen.“
Die Aussicht, ohne ihn zu sein, war so schrecklich, dass ich es einfach nicht riskieren konnte.
An der zweiten Ampel hatte ich all das fein als vorhochzeitliches Muffensausen unter meinen geistigen Teppich gekehrt und fuhr nach rechts zum Total House.
Dort machte ich ein paar Verkäufer sehr, sehr glücklich.
Ich traf Martin an diesem Abend für unser viertes voreheliches Beratungsgespräch mit Pfarrer Aubrey Scott an der Episkopalkirche St. James. Die beiden Männer standen im Kirchhof und unterhielten sich, als ich ankam – Martin war kleiner und athletischer als Aubrey, düsterer. Es war merkwürdig, unter ihren prüfenden Blicken zu ihnen
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