Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
verkauft hatte, feiern. Mutter schien genauso ehrgeizig zu sein wie damals, als sie sich von meinem Vater getrennt hatte und ihr eigenes Geld verdienen musste; er war nie besonders gut darin gewesen, seine Unterhaltszahlungen für mich zu leisten.
„Welches?“, fragte ich, um höfliches Interesse zu zeigen.
„Das Anderton-Haus“, sagte sie. „Erinnerst du dich, ich hatte dir letzte Woche erzählt, dass ich es verkauft hatte? Ich hatte bis zur letzten Sekunde Angst, dass sie es sich anders überlegen würden. Irgendein Idiot hat ihnen von Tonia Lee Greenhouse erzählt.“ Man hatte Tonia Lee, eine hiesige Maklerin, im Elternschlafzimmer des Hauses ermordet. „Aber sie haben es durchgezogen.“
„Da wird Mandy aber froh sein. Übrigens“, die Namensähnlichkeit hatte mich daran erinnert, „sind wir heute bei Bill Anderson zum Abendessen eingeladen. Du hast den Andersons ein Haus verkauft, nicht? Wie ist seine Frau so?“
„Ganz charmant, nicht allzu gescheit, wenn ich mich recht entsinne. Sie haben das Haus gemietet, sich aber die Option, es zu kaufen, offengehalten.“
Nachdem wir uns verabschiedet hatten und ich mich über dem Spülbecken wieder meiner Aufgabe widmete, wobei ich mich beeilen musste, da ich durch die Dachbodengeschichte spät dran war, versuchte ich, mir vorzustellen, was meine Mutter in meiner unangenehmen Lage getan hätte – aber es war, als wollte ich mir den Papst beim Stepptanz vorstellen.
Sally war pünktlich, in sehr teuren Klamotten, die sie tragen wollte, bis sie nur noch Lumpen waren. Sally war seit einigen Jahren zweiundvierzig. Sie war eine attraktive Frau mit kurzem, dauergewelltem, bronzefarbenem Haar. Sie war weder schlank noch dick, weder klein noch groß.
Schon seit zwei oder drei Jahre stand Sally kurz davor, bei einer der größeren Zeitungen ganz groß rauszukommen, aber es war einfach nicht geschehen. Sie hatte sich damit abgefunden, dass sie die Mentorin und der Schrecken der Volontäre war, die regelmäßig zum Sentinel kamen, um dort ihr Handwerk zu lernen.
Zum ersten Mal schenkte Sally mir eine rituelle Umarmung. Es war ein Lob für die großen Abenteuer, die ich seit unserem letzten Treffen durchlebt hatte, und die Tatsache, dass ich jetzt eine anständige Frau war, nicht nur mit irgendwem, sondern mit einem wahren Volltreffer verheiratet, einem attraktiven Fabrikmanager, der mutmaßlich ein ausgezeichnetes Einkommen hatte. All das konnte sie wirklich in einer Umarmung vermitteln.
„Du siehst großartig aus, Roe“, jubelte Sally.
Ich wusste nicht, warum die Leute sich gezwungen sahen, das einer Frischvermählten zu sagen. Machte regelmäßiger Sex schöner? Viele Freunde hatten mir schon gesagt, wie großartig ich aussähe, seit wir aus den Flitterwochen zurückgekehrt waren. Vielleicht machte einen nur Sex in der Ehe schöner.
„Danke dir, Sally. Komm rein und sieh dir das Haus an.“
„Ich war schon seit Jahren nicht mehr hier. Nicht seit den Ereignissen damals. Oh, wer hätte gedacht, dass es hier Hartholzböden gibt! Das sieht toll aus.“ Sally folgte mir und verkündete ihre Begeisterung bei jeder sehenswerten Sache.
Als ich das Mittagessen auftrug, erzählte sie mir von ihrem Sohn Perry, dem wunderbaren Mädchen, das er in seiner Therapie kennengelernt hatte, ihrem Mann Paul und den Dilemmas ihrer frischen Ehe.
„Das kriegt ihr sicher noch hin, Sally. Du hattest dir solche Hoffnungen gemacht, als du ihn geheiratet hast, und es sind ja erst ein paar Monate.“
„Vierzehn“, präzisierte sie, als sie eine Erdbeere mit der Gabel perforierte.
„Oh. Na ja. Würde euch vielleicht eine Eheberatung helfen? Aubrey Scott ist wirklich gut.“
„Möglicherweise“, sagte sie. „Wir werden darüber sprechen, wenn Paul aus Augusta zurückkommt.“
„Also, was kannst du mir alles über das Verschwinden erzählen?“, fragte ich sanft, nachdem sie ein paar Sekunden lang ihre Dillgurke herumgeschoben hatte.
„Hast du die Artikel aus dem Sentinel ?“
„Ja, den Hauptartikel. Ich möchte wissen, was du nicht im Artikel erwähnt hast oder was dir sonst noch aufgefallen ist. Warst du damals hier?“
„Zusammen mit einer Menge anderer Journalisten. Ich habe aber ein Exklusivinterview bekommen. Das Verschwinden war eine ganze Zeit lang ziemlich aktuell, bis schließlich eine Woche ohne Neuigkeiten verging. Aber Lokalreporterin zu sein hat sich bezahlt gemacht.“
Sally legte ihre Gabel weg und öffnete ihren Koffer. Sie zog ein paar
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