Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
computergeschriebene Seiten aus einem Ordner.
„Das sind deine Aufzeichnungen?“ Ich hatte einen Spiralblock mit Gekritzel erwartet.
„Ja“, sagte Sally ein wenig verlegen. „Ich ziehe sie natürlich auf Diskette, wenn ich ins Büro komme. Lass mal sehen … ich muss das alles noch rekonstruieren.“ Sie überflog die Seiten, ordnete sie und nickte.
„Als die Polizei hier ankam“, sagte sie …
Eine alte Frau steht in der Einfahrt. Sie ist klein und ergraut und schwankt zwischen Bestürzung und Verdrießlichkeit. Ihr Name, sagt sie, sei Melba Totino, und sie ist die Mutter von Mrs. Hope Julius. Sie sind alle weg, sagt sie: Hope, ihr Ehemann T. C. und ihre Tochter Charity. Sie sind mitten in der Nacht verschwunden. Sie selbst ist zur selben Zeit wie jeden Morgen aufgestanden und zum Haus rübergegangen, um das Frühstück vorzubereiten, wie sonst auch. Sie hatte erwartet, alle wären dort, selbst Charity, die am Vortag wegen Krankheit zu Hause geblieben war. Charity ist im zweiten Jahr an der Lawrenceton High, gerade erst immatrikuliert. Sie hat sechs schwere Wochen hinter sich, in denen sie sich an die neue Schule gewöhnen musste und in denen ihr Freund ihr gefehlt hat, aber schließlich hat sie sich damit arrangiert. Sie hatte in den vergangen zwei Tagen leichtes Fieber. Aber Charity war nicht im Haus, krank oder nicht.
Melba Totino geht zur Vordertür hinein, da die Hintertür durch die Küche von einer neuen Betonfläche versperrt wird, die am Vortag für eine neue Terrasse gegossen worden ist. Sie ist nicht sicher, ob sie den Beton bereits betreten kann, also geht sie durch die Vordertür. Die Tür ist unverschlossen. Innen brennt kein Licht. Nichts rührt sich.
Mrs. Totino tritt langsam ein und ruft. Sie will nicht ohne Vorwarnung hineinspazieren. Aber niemand antwortet. Sie geht jetzt ängstlich durchs Haus und sieht sich nach Anzeichen um, ob etwas vorgefallen ist. Das Haus ist sauber und friedlich. Die Kuckucksuhr im Wohnzimmer macht ihren hirnlosen Lärm, und die alte Frau erschrickt.
Wo ist ihre Tochter? Wo ist Hope? Der Panik nahe schreit die alte Frau schließlich die Treppe hoch, aber niemand antwortet. Während sie sich einredet, dass sie sich albern verhält und ihnen gehörig die Leviten lesen wird, wenn sie heimkommen, sitzt Melba Totino am Küchentisch und wartet darauf, dass jemand auftaucht. Sie wagt nicht, etwas anzurühren. Das Geschirr ist aufgeräumt. Der Kaffee läuft nicht durch, im Ofen bäckt nichts. Nach einer halben Stunde geht sie zurück durch die Haustür und blickt in die Garage. Sie hatte sich die Mühe auf dem Weg ins Haus nicht gemacht – warum auch?
Hier ist, soweit sie das sehen kann, alles wie immer. Sie hat keinen Führerschein, sie weiß nichts über Autos, aber hier steht das Familienauto ihrer Tochter, der Transporter ist der Lieferwagen ihres Schwiegersohns, auf dessen Seite in stolzer Schrift „Julius Heimtischlerei“ steht, die Telefonnummer gleich darunter. Beide Fahrzeuge sind leer.
Sie geht vom Garageneingang an der Treppe zu ihrer Wohnung vorbei, über den überdachten Weg zum Haus hinüber in den großen Hinterhof. Sie ist froh, dass sie ihre Strickjacke an hat, die Luft ist kalt. Ein Truthahngeier zieht in der Luft seine Kreise. Der Hof ist leer. Sie sieht zum zweiten Stock des Hauses hoch, in der Hoffnung, hinter Charitys Fenster Bewegung zu sehen, aber dort ist nichts.
Verwirrt und im Versuch, sich ihren Schrecken nicht einzugestehen, geht die alte Frau langsam zur vorderen Seite des Hauses zurück, wobei sie noch immer versucht, den Beton, den die Besitzer des Hauses nie wiedersehen würden, makellos zu halten. Schließlich ruft sie endlos wirkende Stunden später die Polizei.
„Parnell Engle ist an dem Morgen in seinem Transporter vorbeigefahren“, erklärte Sally, „und da er am Vortag den Beton gegossen hatte, hat er natürlich zu dem Haus hinübergesehen, als er daran vorbeikam. Nachdem er die Polizeiwagen dort gesehen hatte, ist er rein zufällig bei der Zeitung vorbeigefahren, um nach seiner Kleinanzeige zu sehen, ist rein zufällig in die Redaktion gekommen und hat mir mitgeteilt, was er gesehen hat.“
„Natürlich“, stimmte ich zu.
„Das war natürlich ein paar Jahre, bevor er ‚den Herrn gefunden’ hat“, sagte Sally. „Was mein Glück war, so konnte ich mit der alten Dame sprechen, ehe einer der anderen Journalisten überhaupt wusste, dass etwas passiert war. Am nächsten Tag hat sie mit niemandem
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