Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
In der Hitze des Speichers, wo das Licht durch das runde Dachfenster am hinteren Ende des Hauses fiel, beruhigte ich mich. Der Boden des Speichers war mit den ursprünglichen alten Holzdielen ausgelegt, die breit und schwer waren. Sie knarzten ein wenig, als ich den Boden überquerte, um mir den Schornstein anzusehen. Die Ziegel sahen hier tatsächlich ein wenig anders aus als unten, auch wenn ich nicht sagen konnte, ob sie neuer zu sein schienen, und der Kamin war breiter.
Ich blieb skeptisch. Ich war sicher, der Polizei wären frisch ’* verlegte Ziegel aufgefallen.
Angel kam kurz darauf die Treppe herauf, den Vorschlaghammer in der Hand.
Sie musterte die Ziegel und setzte eine durchsichtige Sicherheitsbrille aus Plastik auf. Ich blickte sie an.
„Steinsplitter“, sagte sie schlicht. „Sie sollten weiter hinten stehen, da Sie keine Sicherheitsbrille haben.“
Ich zog mich so weit wie ich konnte zurück, an eine Stelle, an der ich kaum aufrecht stehen konnte, und auf Angels Rat hin kehrte ich der ganzen Sache den Rücken zu. Ich hörte das dumpfe Geräusch, mit dem der Hammer die Ziegel traf, und dann weitere dumpfe Schläge, bis lautes Brechen und Fallen dieses Geräusch begleitete.
Dann war Angel wieder still, und ich drehte mich um.
Sie blickte auf etwas, das in dem Haufen von herausgebrochenen Ziegeln und Mörtel lag.
„Oh, Scheiße“, keuchte ich.
Meine Haut kribbelte.
Ich huschte zu ihr und stand neben ihr, während ich wie sie hinuntersah.
In dem Schutt lag eine kleine Gestalt, in Decken gehüllt, die von Rauch und Ruß rabenschwarz waren.
Meine Hand legte sich über meinen Mund.
Wir standen für den längsten Augenblick meines Lebens dort und starrten auf das Bündelchen.
Dann kniete ich mich hin und wickelte die Decke mit bebenden Händen auf. Ein weißes Gesichtchen sah mich an.
Ich schrie aus vollem Hals.
Ich glaube, Angel schrie auch, obwohl sie es später heftig abstritt.
„Es ist eine Puppe“, sagte sie, als sie sich neben mich kniete und mich bei den Schultern packte. „Eine Puppe, Roe. Aus Porzellan.“ Sie schüttelte mich, und ich glaube, sie war der Meinung, dabei sanft zu sein.
Später, nachdem wir beide geduscht hatten und Angel einen Maurer angerufen hatte, der den Kamin reparieren sollte, spekulierten wir darüber, wie der Zwischenraum versiegelt worden war und wie die Puppe dort hineingekommen war. Ich nahm an, dass die Geschichte darüber, wie Sarah May Zinsner einen Schrank haben wollte und ihr Gatte diesen aus reiner Bosheit zugemauert hatte, ihren Ursprung darin hatte, was hier beim Kamin vorgefallen war. Wir einigten uns schließlich darauf, dass sie ein weiteres Regal aus Ziegelsteinen verlangt hatte, um dort wer weiß was zu lagern. Vielleicht wollte sie das Regal für das Hausmädchen bauen lassen, das möglicherweise auf dem Dachboden gelebt hatte. Aber diese letzte Änderung war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, und John L. Zinsner platzte der Kragen. Er hatte das Regal zumauern lassen, und während der Maurer daran arbeitete, hatte vielleicht eine der Töchter ihr eingewickeltes „Baby“ vorübergehend (dachte sie) ins Regal gelegt. Jetzt hatte ich es, all die Jahre später, und es hatte Angel und mich halb zu Tode erschreckt.
Aus irgendeinem Grund erzählte ich Mutter, die mich anrief, als ich gerade Erdbeeren schnitt, nichts von meinem morgendlichen Abenteuer. Sie wäre entsetzt darüber gewesen, dass ich nach Familie Julius suchte; ich wollte auch nicht davon erzählen müssen, wie zutiefst erschüttert ich bei dem Anblick des winzigen, weißen Gesichtes gewesen war.
Ausnahmsweise bemerkte sie nicht, dass ich nicht allzu glücklich war. Das war bemerkenswert, da wir fast ständig entweder am Telefon oder persönlich miteinander redeten, und zwar wenigstens einmal pro Tag. Sie war alles, was ich an Familie noch hatte, seit mein Vater mit meinem Stiefbruder nach Kalifornien gezogen war. Das war etwas, das ich, wie mir auffiel, mit der Familie Julius gemein hatte. Sie war beinahe so schlecht mit dem Netzwerk der familiären Verbindungen der Südstaaten verknüpft wie ich.
„Ich habe heute Morgen einen Verkauf abgeschlossen“, sagte Mutter. Sie war auf jeden Verkauf so stolz, als wäre es ihr erster, was ich irgendwie reizend fand. Als ich gerade erst Teenager geworden war und sie zu arbeiten begonnen hatte, aber noch nicht unabhängig oder besonders erfolgreich gewesen war, fand ich, man müsse jedes Haus, das sie
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