Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 04 - Das Julius-Haus
wieder zur Hand genommen hatte, am Nasenflügel kratzte. Sein hageres Gesicht wurde ausdruckslos, als er in seinen Erinnerungen kramte. „Wegen der Perücke“, sagte er, glücklich über seine Fähigkeit, das abrufen zu können. „Hope trug ihre Sonntagsperücke.“
Ich ging in die Kirche.
Ich wusste nicht, wo ich sonst hätte hingehen sollen.
Sie war offen. Ich konnte über den rechten Winkel, den Kirche und Gemeindehaus bildeten, zum Büro sehen. Aubrey saß am Schreibtisch. Aber ich ging in die Kirche. Drinnen war es warm und staubig. Ich blieb im hinteren Teil, klappte einen Betschemel aus und setzte mich.
Ich hoffte, Ordnung ins Chaos bringen zu können.
Ich hatte Martin versprochen, bei ihm zu bleiben, als ich ihn geheiratet hatte. Ich liebte ihn.
Aber er war – einer der Bösen. Oder zumindest einer der Nicht-so-Guten.
Ich zuckte zusammen, als ich diesen Gedanken formulierte, aber ich konnte mich der Wahrheit nicht verweigern.
Wenn jemand – jemand wie Aubrey – zu mir gekommen wäre und gesagt hätte: „Ich kenne einen Mann, der illegal Warfen an verzweifelte Leute in Lateinamerika verkauft“, was hätte ich gedacht?
Ich hätte gedacht, dass dieser Mann schlecht wäre, denn egal, was es sonst Gutes in seinem Leben gab, es würde dieses – Böse nicht ausgleichen.
Der Mann, der diese böse Tat vollbrachte, war mein Ehemann, der Mann, der verschiedene Pläne für unsere Flitterwochen gemacht hatte, um sicherzugehen, dass sie mir gefielen, der Mann, der sich für äußerst glücklich hielt, mich heiraten zu dürfen, der Mann, der in einem schrecklichen Krieg in Vietnam gekämpft hatte, ein Mann, der einen undankbaren Sohn liebte und unterstützte.
Ich war überzeugt, dass Martin das, was er tat, nicht tat, weil er im Grunde seines Herzens böse war, sondern weil er süchtig nach der Todesgefahr und dem Abenteuer war, und möglicherweise, weil er dachte, er diene seinem Land. Aber was er tat, würde unser gemeinsames Leben vergiften, ganz gleich, wie viel Gutes es darin gab. Er war mein Schatz, mein Liebster, er war Werksleiter einer landwirtschaftlichen Firma, er war Veteran, er war Sportler, aber ich konnte nicht vergessen, was er noch war. Ich weinte ein Weilchen. Ich hörte, wie sich die Tür der Kirche leise öffnete. Ich spürte, wie jemand hinter mir im Foyer der Kirche stand: Aubrey. Er musste meinen Wagen bemerkt haben. Aber ich drehte mich nicht um, denn ich wollte nicht, dass er mein Gesicht sah. Nach einer Weile spürte ich, wie seine Hand mir zärtlich übers Haar strich und sanft auf meiner Schulter ruhte. Er tätschelte mich, und ich hörte, wie die Tür sich knarrend hinter ihm schloss.
Peachtree Leisure Apartments. Ein anderer Wachmann, auch schwarz, weniger eindrucksvoll und weniger gutmütig. Der Mann hieß Roosevelt, was, da war ich mir sicher, Mrs. Totino gefiel. Über mich freute sie sich weniger; ihre Stimme, die ich durch das Telefon knistern hörte, klang nicht begeistert. Wahrscheinlich bereute sie es, mir die lila-silbernen Sets geschenkt zu haben.
„Sie haben geweint“, sagte sie sachlich, während sie mich wenig freundlich einließ. Warum war sie plötzlich so reserviert? Ich erinnerte mich, dass sie für ihre schlechte Laune bekannt war. Vielleicht hatte sie nur zu alter Form zurückgefunden.
„Ich wollte Sie etwas fragen“, sagte ich. „Tut mir leid, dass ich unangemeldet hier erscheine.“ Eigentlich war das ein glücklicher Zufall, dachte ich.
Sie bot mir keinen Platz an.
„Was?“, sagte sie übellaunig.
„An dem Tag, an dem Mr. Engle den Zement für die Terrasse goss …“
Sie nickte knapp, das Licht der Sonne, das durch ein Fenster in das vollgestopfte Wohnzimmer fiel, umrahmte ihre dünne, gebeugte Gestalt.
„Wissen Sie, warum Hope ihre Sonntagsperücke getragen haben könnte?“
„Gehen Sie!“, schrie sie plötzlich. „Raus! Raus! Raus! Sie haben das Haus gekauft. Damit ist die Sache erledigt. Sie können einfach keine Ruhe geben, oder? Wir werden es nie wissen! Wissen Sie, was einer der Kasper hier mir erzählt hat? Marsmännchen hätten sie gefressen! Ich habe mir das jahrelang angehört. Ich ertrage es nicht mehr!“
Völlig bestürzt und verlegen, einen solchen Aufruhr verursacht zu haben -Türen öffneten sich auf dem ganzen Flur –, trat ich einen Schritt zurück, damit sie ausreichend Platz hatte, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Um diesen perfekten vierundzwanzig Stunden die Krone
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